Todesfahrt: Thriller (German Edition)
mit seiner Pistole. Als er Sven und Maggie sah, zog er erstaunt die Augenbrauen hoch.
»Heute kein Fußball«, sagte er mit einem gewissen Bedauern. »Wir kommen gleich ans Ziel.«
»Ich bin nicht wegen des Fußballs gekommen!« Sven musste sich räuspern, weil seine Stimmbänder wie ausgedörrt schienen. »Es geht um die Frauen. Immer wieder werden welche vergewaltigt. Das ist nicht gut.«
Hanif zuckte mit den Achseln. »Was soll ich tun? Meine eigenen Leute habe ich im Griff, aber mehr als zwei Drittel der Männer gehören zu Milizen, die mit uns verbündet sind. Sie machen mit, weil sie Beute wollen. Leider gehören in deren Augen auch Frauen dazu. Wollte ich ihnen verbieten, sich an ihnen zu vergreifen, würde es hier zu einer üblen Schießerei kommen.« Dann musterte er Maggie und begriff den Grund, aus dem die beiden zu ihm gekommen waren.
»Ist sie vergewaltigt worden?«, fragte er.
Sven schüttelte den Kopf. »Noch nicht! Ich konnte ein paar Kerle davon abbringen, indem ich sagte, Sie hätten nach mir geschickt.«
»Gute Ausrede!« Hanif lächelte geschmeichelt, nahm ein Stück Papier und schrieb ein paar Zeilen darauf. Dann reichte er es Sven.
»Gib es der Frau. Wenn meine Männer sie belästigen, soll sie es ihnen vorzeigen. Dann wird ihr nichts geschehen.«
»Können die Leute alle lesen?«, wunderte Sven sich, denn die Piraten, die in besseren Lumpen an Bord gekommen waren und sich danach ausgiebig im bordeigenen Shop bedient hatten, sahen nicht gerade so aus, als hätten sie in ihrer Jugend eine Schule besucht. Nur Hanifs uniformierte Begleiter sprachen zumindest ein rudimentäres Englisch, und von denen hatte sich bisher keiner aus eigenem Antrieb an den Geiseln vergriffen.
Hanif lachte leise auf. »Die wenigsten. Doch der Zettel zeigt ihnen, dass die Frau wichtig ist und ihr nichts geschehen darf. Aber jetzt muss ich euch auffordern, in eure Kabine zurückzukehren. Das Schiff wirft bald Anker, und dann kommen weitere Leute an Bord.«
Oder werden von Bord geschafft, verriet Hanifs Miene. Trotzdem blieb Sven stehen. »Es ist noch etwas anderes: Wir bekommen nicht genug zu essen. Noch schlimmer ist es mit dem Trinkwasser. Mit einer Flasche Wasser, die teilweise zwei Tage lang reichen muss, kommen wir bei der hier herrschenden Hitze nicht aus. Bitte schalten Sie wenigstens die Klimaanlage wieder ein.«
»Das ist unmöglich«, erklärte Hanif kalt. »Auf einen von uns kommen zwanzig von euch. Wir müssen euch schwach halten, um euch beherrschen zu können. Außerdem darf die Computeranlage des Schiffes nicht eingeschaltet werden, damit sie nicht von der Reederei oder den deutschen Behörden benutzt werden kann, um Informationen einzuholen.« Dann aber wurde der Pirat wieder zugänglicher und griff nach hinten.
»Hier! Für euch beide«, sagte er und stellte einen Sechserpack Wasserflaschen und eine große Schachtel mit Keksen auf den Tisch. »Nehmt es und jetzt geht!«
Sven begriff, dass er nicht mehr erreichen konnte, und nahm die Sachen an sich. »Danke«, sagte er zu Hanif und schämte sich gleichzeitig, weil mehr als zweitausend Leute an Bord schlechter dran waren als Maggie und er.
Als er zur Tür ging, drehte er sich noch einmal zu Hanif um. Der Somali hielt wieder seine Pistole in der Hand und schien seine ungebetenen Besucher bereits vergessen zu haben. Auf dem weiteren Weg konnten Maggie und Sven einen kurzen Blick nach draußen werfen. Die Lady of the Sea näherte sich in langsamer Fahrt einer Küste, hinter der sonnendurchglühte Berge in den Himmel ragten.
Etwa drei Kilometer entfernt entdeckten sie einen kleinen, vor Anker liegenden Containerfrachter, der so aussah, als wäre er gleich ihnen in die Hände der Piraten gefallen.
ELF
U
m Abdullah Abu Na’ims Lippen spielte ein verstehendes Lächeln. Insgeheim aber spottete er über die Bundeskanzlerin, die ihm gegenübersaß und in den letzten Tagen um mindestens zehn Jahre gealtert war.
»Sie bringen keine guten Nachrichten, Herr Na’im«, sagte sie eben.
Der Saudi hob bedauernd die Hände. »Ich hätte Ihnen gerne eine bessere Botschaft überbracht, Euer Exzellenz. Leider aber befinden sich die Geiseln an Bord der Lady of the Sea in keiner beneidenswerten Lage. Sie werden, wie ich erfahren habe, sehr schlecht versorgt, weil die Piraten sie möglichst schwach halten wollen, um sie besser kontrollieren zu können. Es befinden sich lange nicht so viele Somalis wie Gefangene an Bord. Würde es dem Kapitän gelingen, die
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