Todesfahrt: Thriller (German Edition)
männlichen Besatzungsmitglieder zu einem Aufstand zu bewegen, gäbe es ein Blutbad. Daher tun die Piraten alles, um solch eine Situation von vornherein zu verhindern.«
»Ich habe auch von Vergewaltigungen gehört«, sagte die Kanzlerin voller Abscheu, während ihr Gegenüber die Narren auf der Lady of the Sea verfluchte, denen es nicht gelang, die Übertragungen von Bord des Schiffes zu unterbinden.
»Davon weiß ich nichts«, behauptete er. »Allerdings stehe ich nicht direkt mit den Piraten in Kontakt, sondern mit dem ehrenwerten Kadi Wafal Saifullah, meinem Schwiegervater. Dieser kann auch nicht persönlich mit den Piraten verhandeln, sondern muss Mittelsmänner in Anspruch nehmen. Das dauert leider seine Zeit. Für die armen Menschen an Bord, die so schrecklich leiden müssen, ist das natürlich fatal.«
Die Kanzlerin nickte unwillkürlich. Dann raffte sie sich auf und blickte Abdullah Abu Na’im ins Gesicht. »Wir sind bereit, Lösegeld für die Lady of the Sea zu zahlen und für die Menschen, die sich darauf befinden. Die Summen, die von den Piraten verlangt werden, sind jedoch illusorisch. Zehn Millionen sind das Äußerste!«
Bei diesen Worten klang die Kanzlerin so entschlossen, dass Sayyidas Abgesandter sich auf lange und harte Verhandlungen einstellte. Da war es vielleicht doch ganz gut, wenn die Bereitschaft der deutschen Regierung, möglichst bald einzulenken, durch Informationen über die schlechte Behandlung der Geiseln verstärkt wurde. »Ich wage nicht, dieses Angebot weiterzuleiten«, sagte er deshalb mit leiser Stimme. »Die Freiheitshelden Somalias würden mit Sicherheit Geiseln erschießen, um zu beweisen, wie ernst es ihnen mit ihren Forderungen ist. Schließlich geht es dieser Gruppierung nicht nur um Geld!«
»Politische Zugeständnisse kann Deutschland nicht machen.« Die Kanzlerin fühlte sich wie an einem Bratspieß, der über einem immer heißer lodernden Feuer gedreht wurde. Die Öffentlichkeit verlangte von ihr ein rasches Ende der Geiselnahme. Daher war sie bereit, ihr Angebot notfalls zu verdoppeln und zu verdreifachen. Doch die Forderung nach über einer halben Milliarde Euro konnte sie nicht erfüllen.
Abdullah Abu Na’im genoss die Situation. Noch sträubte sich die Deutsche, aber wenn die Bilder von erschossenen Matrosen und Passagieren durch die Weltpresse gingen, würde sie kapitulieren müssen.
»Den Freiheitshelden Somalias sind ihre politischen Forderungen womöglich noch wichtiger als das Geld. Selbst meinem Schwiegervater ist bekannt, dass Deutschland den Rebellen in Somaliland Waffen geliefert hat, mit denen die Isaaq auch seinen Stamm bekämpft haben. Deshalb ist die Forderung auch so hoch. Mein Schwiegervater verlangt eine Wiedergutmachung für die Schäden, die seinen Leuten durch deutsche Waffen zugefügt worden sind, und die anderen Stammesältesten der Dulbahante empfinden das ebenso. Auch muss ich die Vertrauensleute entschädigen, die mich in meinen Verhandlungen unterstützen, und zuletzt kommen natürlich die Forderungen der Piraten selbst.«
Das klingt ganz danach, als würde sehr viel Geld in undurchsichtigen Kanälen verschwinden, dachte die Kanzlerin, und sie überlegte, ob sie versuchen sollte, Abdullahs Schwiegervater und die anderen Stammesanführer zu bestechen. Doch auch dafür brauchte sie den Saudi, und der würde eine nicht unbeträchtliche Summe als Lohn für seine Bemühungen verlangen.
»Ich muss Sie bitten, den Piraten mitzuteilen, dass ihre derzeitigen Forderungen nicht annehmbar sind. Auch bestehe ich darauf, dass die Geiseln an Bord der Lady of the Sea anständig behandelt und versorgt werden und die Vergewaltigungen aufhören. Sollte dies nicht geschehen, bleibt mir nichts anderes übrig, als den Befehl zu erteilen, das Schiff mit Gewalt zu befreien!« Die Bundeskanzlerin versuchte, Stärke zu zeigen, obwohl sie wusste, dass sie kaum die Möglichkeit hatte, ihre Drohungen in die Tat umzusetzen. Ein ähnlicher Angriff wie der auf die Caroline würde in einem Blutbad und damit in einem politischen Desaster enden.
Dies war Abdullah Abu Na’im genauso bewusst wie ihr, daher nahm er ihre Worte nicht ernst. Es war jedoch klar, dass die deutsche Regierung im Augenblick zu keinen weiteren Zugeständnissen bereit war und erst durch die Umstände zum Nachgeben gezwungen werden musste. Dafür würden die Krieger seiner Schwägerin schon sorgen. Mit dem Gefühl, am Ende doch Sieger zu bleiben, verabschiedete er sich von der Kanzlerin und
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