Todesfahrt: Thriller (German Edition)
diese Weise nicht befürchten.
Da jede der Schwestern ihren eigenen Gedanken nachhing, versandete das Gespräch. Bald aber hielt Sayyida es nicht mehr aus. »Ich hoffe, dein Mann kann mit den Deutschen in meinem Namen verhandeln. Es wird sich auch für ihn lohnen. Ein Fünftel des Lösegelds erhält er, ein weiteres Fünftel die Familien meiner Krieger und eines die mit uns verbündeten Sippen. Mit dem Rest …«
»… wirst du Waffen kaufen, mit denen du noch mehr Sippen der Dulbahante, Warsangeli, Majerten und Isaaq bedrohen und unterwerfen kannst«, unterbrach Sahar sie bitter.
Auf Sayyidas Lippen trat ein selbstzufriedenes Lächeln. »Die Dulbahante und Warsangeli brauche ich nicht mehr zu unterwerfen, denn sie gehorchen mir bereits. Als letzter Anführer hat sich Diya Baqi Majid mir angeschlossen. Auch die ersten Sippen der Majerten stehen auf unserer Seite. Jetzt sind wir stark genug, um die Isaaq zu unterwerfen. Wir haben sie inzwischen mehr als fünfzig Meilen zurückgedrängt und ihnen ihre heilige Stadt Maydh abgenommen, in der ihr angeblicher Stammvater begraben liegen soll. Schon bald werden wir auf Berbera vorstoßen. Sobald diese Stadt in unserer Hand ist, sind die Isaaq geschlagen.«
Sahar sah sie seufzend an. »Ich weiß nicht, was in dir vorgegangen ist, Schwester. Du hast zwar den Leib einer Frau, doch deinem Kopf entspringen Gedanken, wie sie nicht einmal Männer denken. Uns Dulbahante ist es stets nur um die Freiheit unseres Stammes gegangen. Wir wollten niemals andere beherrschen.«
»Das verstehst du nicht!«, fuhr Sayyida sie an. »Unser Stamm ist zu schwach, um sich allein zwischen Majerten, Warsangeli und Isaaq behaupten zu können. Wir benötigen ein Bündnis mit allen, die wir auf unsere Seite ziehen können, und den Rest müssen wir mit eiserner Faust niederringen. Nur mit militärischer Macht und äußerster Strenge wird es uns möglich sein, ein somalisches Sultanat zu errichten und zu halten.«
»Nennst du dich deswegen nicht einfach Sayyida, sondern Sultana Sayyida?«, fragte ihre Schwester mit bitterem Spott.
»Ich habe diesen Namen angenommen, damit die Männer wissen, dass ich die rechte Hand unseres Vaters und meines Sohnes bin. Du magst vielleicht zufrieden sein, hier in diesem prachtvollen Haus zu leben.« Sayyida wies auf den Plasmabildschirm mit eingebautem Blue-ray-Player, den weichen Diwan, auf dem sich unzählige Kissen türmten, und das Tischchen mit kostbaren Elfenbeineinlagen. »Ich habe selbst während meiner Ehe niemals vor Männern gekuscht und werde dies auch jetzt nicht tun. Doch um mir Achtung zu verschaffen, muss ich härter sein als der härteste Mann. Wenn ich nur die geringste Schwäche zeige, werden die Unteranführer unseres Vaters diesen auffordern, einen der ihren als seinen Nachfolger einzusetzen und mich – genau, wie du vorhin gesagt hast – mit diesem zu verheiraten. Das werde ich niemals zulassen.«
»Du bist verrückt! Verrückt!«, rief Sahar aus und drehte Sayyida den Rücken zu.
Beide begriffen, dass es zwischen ihnen keine Gemeinsamkeit mehr gab, und so atmete die jüngere Schwester auf, als eine Dienerin hereinkam und berichtete, dass Abdullah Abu Na’im von seiner Reise zurückgekehrt sei und Sayyida zu sprechen wünsche.
DREI
A
ls Sayyida auf die Terrasse hinaustrat, wo ihr Schwager sie erwartete, nahm sie sich einen Augenblick Zeit, das Haus zu betrachten. Das Gebäude war einstöckig, dicke Wände hielten die Hitze fern. Nach außen gab es kaum ein Fenster. Doch der mit Palmen bewachsene Innenhof, in den die Dienerin sie führte, wurde von Schatten spendenden Arkaden eingefasst, unter denen sich große Glastüren nach außen öffneten. Ein kleiner Brunnen in der Mitte des Innenhofs erfrischte die Luft, und auf der gegenüberliegenden Seite ruhte die zweite Ehefrau ihres Gastgebers, von einem großen Schirm vor den Strahlen der Sonne geschützt, nackt auf einer Liege.
Bei Sayyidas Anblick verzog sie verächtlich die Lippen. Als Araberin aus einem einflussreichen Stamm fühlte sie sich weit über die dunkelhäutige Somali erhaben. Daher machte sie auch keine Anstalten, sich zurückzuziehen, als diese auf einem Kissen Platz nahm.
Abdullah Abu Na’im wollte jedoch das, was er Sayyida zu berichten hatte, nicht an andere Ohren dringen lassen und klatschte in die Hände. »Geh ins Haus, Tahira.«
Mehr sagte er nicht, doch sein Tonfall ließ die Frau ohne jeden Widerspruch gehorchen. Auf ihrem Weg zur Tür ging sie so nahe
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