Todesfahrt: Thriller (German Edition)
an ihrem Mann vorbei, dass sie mit der Hüfte sein Gewand streifte.
»Du kommst doch heute Abend zu mir, mein Gebieter?«, fragte sie mit zuckersüßer Stimme, während ihre Gedanken sich überschlugen. Was mochte er mit der Schwester der dritten Frau zu besprechen haben? Diese war Witwe und attraktiv. Also war es möglich, dass Abdullah Abu Na’im sich überlegte, sie als vierte Frau ins Haus zu nehmen. Dann würde sie gegen zwei Schwestern stehen, und das war nicht gerade nach ihrem Geschmack.
»Ich werde kommen«, versprach ihr Ehemann, dem Tahira die liebste seiner Gemahlinnen war. Ihr oder seinen anderen Frauen Geheimnisse anzuvertrauen, war er jedoch nicht bereit. Nur seine Mutter erfuhr alles, was er plante, und hatte ihm schon den einen oder anderen guten Rat gegeben, darunter auch den, es bei der einen Somali als Ehefrau zu belassen.
Zudem war Sayyida in seinen Augen keine Frau, sondern ein eher unheimliches Wesen. Sie bot ihm jedoch die Möglichkeit, mehr Einfluss zu gewinnen und gute Geschäfte zu machen. Außerdem, sagte er sich, konnte er durchaus dafür sorgen, dass einmal ein Sohn, den Sayyidas Schwester Sahar ihm gebar, anstelle des kleinen Sayyid Ruh Atuf der neue Anführer des Stammes und erster wahrer Sultan von Somalia werden würde.
Er ließ sich seine Absichten jedoch nicht anmerken, sondern tat so, als wäre er ein Händler, den nur der Gewinn interessierte, den er mit Sayyidas Hilfe erzielen konnte.
»Ich habe in Riad mit mehreren Prinzen gesprochen«, berichtete er. »Der König ist einverstanden, dass ich zwischen den Freiheitshelden Somalias und der deutschen Regierung vermittle. Zu diesem Zweck werde ich noch heute nach Berlin fliegen.«
»Sehr gut! Vergiss bei den Verhandlungen nicht, dass ein Fünftel der erzielten Summe in deine Truhe fließt. Du würdest dir nur selbst schaden, wenn du zu wenig herausschlägst.«
»Das weiß ich«, sagte Abdullah Abu Na’im mit einem sanften Lächeln.
Insgeheim aber nahm er sich vor, die deutsche Regierung davon zu überzeugen, ihm ein Viertel oder ein Drittel des Geldes auszuzahlen, das sie von Sayyidas ursprünglicher Forderung herunterhandeln konnte. Zwar durfte er seine Schwägerin mit keiner geringen Summe abfinden, aber er wollte sie auch nicht zu mächtig werden lassen. Nur wenn er weiterhin Einfluss auf sie behielt, würde er seine eigenen Pläne in die Tat umsetzen können.
Sie sah ihn auffordernd an. »Ich brauche so viel Geld wie möglich! Daher werde ich diejenigen Geiseln, die besonders wichtig oder reich sind, dazu zwingen, Lösegeld für sich selbst zu zahlen. Das darf die Regierung der Deutschen aber nicht erfahren.«
»Das ist ein guter Schachzug!« Abdullah Abu Na’im lächelte noch immer, obwohl er Sayyida am liebsten den Hals umgedreht hätte. Mit solchen spontanen Einfällen machte sie ihm das Verhandeln schwer.
»Die Deutschen können einen Teil des Lösegelds auch in Waffen zahlen«, fuhr seine Schwägerin fort. »Wichtig wären vor allem ein paar Kampfflugzeuge. Sobald ich eine Luftwaffe aufbauen kann, sind unsere Feinde am Ende. Weder Somaliland noch die Milizen im Süden haben etwas Vergleichbares. Geben die Deutschen mir mehrere davon und dazu ein paar Kampfhubschrauber, bin ich bereit, meine Geldforderungen zu reduzieren.«
Gegen seinen Willen musste Abdullah Abu Na’im die Frau bewundern. Sie hatte einen klugen Kopf, der jeden Mann ausgezeichnet hätte. Doch um sich wirklich durchsetzen zu können, saß dieser Kopf auf dem falschen Körper.
»Waffen und Kampfflugzeuge wären gewiss nicht schlecht. Allerdings befürchte ich, dass die Machthaber in Somaliland die äthiopische Armee zu Hilfe rufen werden, wenn du Flugzeuge einsetzt.« Diesen Einwand schob Abdullah Abu Na’im vor, um Sayyida nicht zu verärgern.
Seine Schwägerin winkte ab. »Die Äthiopier sind mit sich selbst beschäftigt. Ihr Grenzkonflikt mit Eritrea kann jeden Augenblick wieder ausbrechen, und die Zentralregierung muss sich überdies mit Aufständen in den Regionen Afar, Oromo und Somali herumschlagen. Ich brauche das Geld der Deutschen nicht zuletzt, um unsere Freunde dort zu unterstützen.«
»Ich sehe, du hast alles ausgezeichnet geplant!« Nun schwang leichter Ärger in Abdullah Abu Na’ims Stimme mit. Gleichgültig, wie er es anfing – Sayyida war ihm stets einen Schritt voraus. Wenn er sie überflügeln wollte, würde er sie in eine Falle locken und töten müssen. Vorerst aber konnte er sie als Werkzeug benützen, um die Macht
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