Todesfalter
die Maria Sibylla für sie bemalt hatte. »Ja, sehr schön. Und das ist dieselbe Qualität wie die für die Markgräfin von Baden-Baden, ja? Ich habe gehört, dass sie ihre Tischdecke vor aller Augen hat waschen lassen, um zu demonstrieren, wie haltbar Eure Farben sind. Wirklich sehr schön.«
»Genau«, bestätigte Maria Sibylla, »genau die gleichen Saftfarben.«
»Ach? Und wie stellt man die her?«
Maria Sibylla zeigte ein unterwürfiges Lächeln. »Das ist, mit Verlaub, Frau Pellerin, mein Geheimnis.«
Ihre Auftraggeberin lächelte säuerlich. »Nun, wie Ihr meint. Ich schätze, so sind die Künstler. Eigen.«
Maria Sibylla ließ das unkommentiert. Sie beobachtete ihre Auftraggeberin und meinte schließlich: »Die Wäsche wird sich in Eurem neuen Heim gut machen. Ist es nicht bald so weit?«
Die Pellerin seufzte. »Das vermaledeite Fembohaus, ach ja. Mein Mann hat es sicher gut gemeint, aber all die Arbeit. Dafür wird es gewiss auch recht ansehnlich.« Man hörte ihrer Stimme an, dass sie mehr als stolz auf das Haus war. »Wenn doch der Italiener nur noch zu Ende gekommen wär! Obwohl …«, fügte sie rasch in bravem Ton hinzu, »obwohl man ja froh sein muss, dass er entlarvt worden ist.«
»Wie meint Ihr?«, fragte Maria betont beiläufig und begann, die bunt bemalten Servietten zusammenzufalten und zurück in die ausgeschlagene Holzschatulle zu legen, in der sie sie hergetragen hatte. »Ich habe gehört, dass er auch unter der Folter noch seine Unschuld behauptet hat.«
»Puh, redet mir nicht davon.« Die Pellerin wedelte Marias Worte mit der Hand beiseite. »Schlimm genug, dass mir das alles passiert. Aber es ist immer was dran, wenn sich die Rechtsprechung mit jemand befasst. Wo Rauch ist, da ist auch Feuer, vor allem bei diesen Italienern.« Sie schnaubte. »Und jetzt findet mein Mann auf die Schnelle keinen, der die Decke fertig macht. Dabei wäre es in wenigen Tagen getan, und dann könnte der Moretti uns gerne verlassen, was mich angeht für immer. Richtung Galgen oder Richtung Alpen, das wäre mir einerlei. Obwohl man ja munkelt, dass der Rat ihn hinrichten will. Aber bei diesen Fremden … Man weiß es nie.« Der Blick, mit dem sie Maria von der Seite maß, erinnerte diese daran, dass sie nach Nürnberger Maßstäben sehr wohl auch als Fremde zu gelten hatte.
»Da habt Ihr sicher recht.« Maria beendete das Packen, schloss das Kistchen ab und reichte der Pellerin den Schlüssel, bemüht, das Zittern ihrer Finger nicht merken zu lassen. Hinrichten also würde man ihn. Betont ruhig sagte sie: »Ich habe Lavendel in passend bemalten Säckchen dazwischengelegt.«
Die Pellerin dankte ihr für die Mühe. »Reizend, aber das kommt alles in Zedernholzschubladen. Es gibt kein besseres Mittel gegen Motten als Zedernholz.«
Maria zeigte sich angemessen beeindruckt. Als sie allerdings auf einen möglichen weiteren Auftrag zu sprechen kam, wurde ihre Gönnerin auf einmal zurückhaltend. Maria deutete das als Zeichen, dass man sich auch im Hause Behaim darüber im Bilde war, welche Rolle sie selbst bei den unangenehmen Ereignissen der jüngsten Vergangenheit gespielt hatte. Die Pellerin jedoch versteifte sich darauf, ihr Mann – der gerade ein Vermögen hinauswarf für die Renovierung seines repräsentativen Hauses – habe ihr verboten, weitere Ausgaben für Wäsche zu tätigen, um nicht verschwenderisch zu erscheinen. Und dabei blieb sie. Maria ging ohne einen Folgeauftrag aus dem Haus, hingerichtet auch sie.
Auf dem Heimweg traf sie Barbara in Begleitung einer Magd. Das Mädchen wurde rot, war es doch zu den letzten Stunden in Marias Haus nicht erschienen, unter zum Teil merkwürdigen Entschuldigungen. »Hast du gehört?«, platzte es aus Bärbel heraus. Ihre Augen leuchteten. Man sah ihr an, dass sie große Dinge mitzuteilen hatte. »Die Gebhardin ist schon wieder in Haft.«
»Ach«, sagte Maria nur. Nichts konnte ihr im Moment gleichgültiger sein. Und die ungetreue Bärbel hatte das Recht auf ihre Anteilnahme wahrhaftig verwirkt.
Aber die beiden jungen Frauen waren in ihrem Mitteilungsdrang nicht zu bremsen. Nun konnte auch die Magd in Bärbels Begleitung nicht mehr an sich halten. »Wir kommen gerade von den Hirsvogels, wo die jüngste Schwiegertochter in anderen Umständen ist. Eine Hebamme war gerade da.«
»Ja«, nahm Bärbel den Faden wieder auf. »Und sie sagt, Beatas Mutter war betrunken bei einer Entbindung und hat das Neugeborene fallen gelassen, jetzt ist es tot. Gott sei Dank
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