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Todesfalter

Todesfalter

Titel: Todesfalter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Korber
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die sie liebte?
    Genau wie bei Moretti! Ach. Sie dachte an Carlo, daran, dass er alleine war, verwundet, hoffnungslos, vielleicht schon krank. Dass er annehmen musste, sie habe ihn vergessen. Dass er sterben könnte, ohne sie noch einmal gesprochen zu haben, ohne zu wissen, dass sie an ihn gedacht, ihn geliebt hatte. Wenn auch vielleicht nicht genug. Dass sie zumindest versucht hatte, ihm zu helfen.
    Maria wollte endlich aufbrechen, ob immer noch zu Heuchlin oder zum Lochwirt, der sie zu Moretti vorlassen sollte, oder zum Rat, der ihre Klagen entgegennehmen musste, das wusste sie in diesem Moment selbst noch nicht.
    Die Entscheidung blieb ihr erspart. Sie kam nicht einmal aus der Tür, denn noch auf der Schwelle prallte sie gegen einen Mann.

30
    Einen Augenblick lang wankten sie beide, eng umschlungen, bis sie ihr Gleichgewicht wiederfanden.
    »Herrje, das tut mir leid.« Wie zur Abbitte klopfte sie ihrem Besucher den Staub von den Ärmeln. Es war der Arzt, Dr. Peller. Die Kämpferlaune, in der sie eben hatte aufbrechen wollen, war noch nicht gänzlich verraucht. »Nun«, fragte sie, anstatt ihn zu begrüßen oder eine höfliche Bemerkung über das Wetter zu machen, »kommt Ihr auch, um mir eine Absage zu erteilen? Hat der vornehme Herr Dr. Volkamer es sich anders überlegt und will mir seine Gärten nun doch nicht zeigen? Nur zu, werdet Euren Auftrag los.« Sie stemmte die Arme in die Hüften.
    Peller war noch immer ein wenig durcheinander von dem stürmischen Zusammentreffen und dem nicht weniger heftigen Willkommen. Er blinzelte, fuhr sich über die Perücke und beteuerte schließlich: »Im Gegenteil, werte Gräffin. Mein Mentor schickt mich, Euch zu sagen, dass seine Gärten Euch offenstehen. Wann immer Ihr Zeit für eine Besichtigung findet, werde ich gerne Euren Führer spielen.«
    Maria wurde rot. Sie spielte verlegen mit dem Stoff ihres Kleides. Es war das gute, das Bettelkleid. »Tut mir leid«, sagte sie schließlich und schaute den Arzt offen an. »Ihr kamt in keinem guten Moment.«
    »Ich kann es mir denken«, sagte er, schien dann aber die eigene Direktheit zu bereuen und sah beiseite.
    »Geht es Euch wieder besser?«
    »Danke der Nachfrage. Aber ein Arzt, der sich nicht selbst kurieren kann, taugt wohl wenig.« Jetzt lächelte er sogar wieder. »Ich habe ja Erfahrung darin. Mein Leiden und ich, wir kennen uns schon lange.«
    »Ich hatte mir schon überlegt, wo Ihr wohl wart. Ihr erwähntet ja eine Reise.«
    »Ja, in der Tat. Ich hatte das Glück, die Neue Welt zu betreten. Ein halbes Jahr lang durfte ich Brasilien besuchen.«
    »Brasilien!« Maria Sibyllas Augen leuchteten auf. Brasilien, die Neuen Kolonien jenseits des Atlantik. Wie oft war sie mit Hilfe ihrer Bücher dorthin gereist. Das war ja der Zielort ihrer eigenen Träume. Und nun die Aussicht auf ein Gespräch mit einem Menschen, der mit eigenen Augen gesehen hatte, was sie nur aus Stichen und Aquarellen kannte! Sie atmete halb schon die Seeluft ihrer Überfahrt in die Neue Welt ein, sah Orchideen und Palmen und ungeheure Wälder, darin es Falter gab, Spinnen und Insekten, Tiere, von denen man sich hier keine Vorstellung machte, groß und bunt und giftig und tödlich. Tödlich schön. »Das ist ja … Also, ich muss sagen …« Sie griff nach seiner Hand. »Herr Doktor, ich freue mich sehr darauf, in Eurer Gesellschaft die Volkamer’schen Gärten zu besuchen. Wann wäre es einem viel beschäftigten Mann wie Euch denn recht?«
    Er überlegte. »Die nächsten Tage werde ich nochmals mit dem Rat zu tun haben, wegen der traurigen Geschichte mit der Hebamme.«
    Maria nickte. »Erst die Tochter, jetzt die Mutter.«
    »Sie ist geständig; sie wird dafür hängen«, bestätigte Peller.
    »Weiß man schon, wann?«, fragte Maria. Sie flüsterte beinahe und verschränkte die Finger ineinander.
    »Der Rat will es gnädig schnell machen. Wohl in drei Tagen. Wollen wir uns also für den vierten Tag verabreden?«
    Maria nickte zur Bestätigung, dann verabschiedete sie sich von ihm, ruhig und nachdenklich geworden. Sie blieb eine Weile vor dem Haus stehen. Es war ein warmer, sonniger Tag, fast zu heiß für den Frühling, aber sie spürte es kaum. Zu sehr war sie in ihre eigenen Gedanken vertieft. Erst als der volle Glockenton von Sebald herüberklang, kehrte sie in die Wirklichkeit zurück. Richtig, sie hatte ja dem Diakon einen Besuch abstatten wollen. Inzwischen allerdings war ihr Zorn verraucht. Dafür bedrückte sie nun die Nachricht von der baldigen

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