Todesfee
langsam. Caisín sagte, er sei schon einmal in Droim Sorn gewesen?«
»In meinem Auftrag«, bestätigte der Abt. »Letzen Monat habe ich ihn zu Findach geschickt, um ihn an den Ablieferungstermin des Kreuzes zu erinnern. Bei seiner Rückkehr sagte mir Caisín, Findach habe ihm versichert, dass das Kreuz zum vereinbarten Zeitpunkt fertig sein werde.«
Obwohl die Verzögerung ihr Sorgen bereitete, musste Fidelma die Nacht in Cluain verbringen und ritt erst am nächsten Morgen nach Droim Sorn zurück.
Brehon Tuama kam ihr mit einem Gesichtsausdruck entgegen, der ein gewisses Maß an Aufregung widerspiegelte.
»Es scheint, wir haben uns beide geirrt, Schwester. Braon hat seine Schuld durch einen Fluchtversuch offenbart.«
Fidelma seufzte vor Ärger laut auf.
»Dieser dumme Kerl! Was ist passiert?«
»Er ist aus dem Fenster gestiegen und in den Wald geflohen. Heute früh am Morgen wurde er wieder aufgegriffen. Odar hat seine Jagdhunde auf seine Fährte gesetzt, und es ist ein Wunder, dass sie den Jungen nicht in Stücke gerissen haben. Wir konnten ihn gerade noch rechtzeitig fassen. Odar hat nun verlangt, dass auch der Vater als Komplize eingesperrt wird.«
Fidelma starrte den Brehon an.
»Und du hast das zugelassen?«
Brehon Tuama breitete resigniert die Hände aus.
»Was sonst hätte ich tun können? Welche Zweifel ich auch zunächst gehabt haben mag, sie wurden nun zerstreut, da der Junge selbst seine Schuld eingestanden hat …, indem er versucht hat, zu fliehen.«
»Ist es dir nicht in den Sinn gekommen, dass nicht die Schuld |317| des Jungen der Grund für seinen Fluchtversuch sein könnte, sondern Angst?«
»Angst? Wovor sollte er denn Angst haben, wenn er unschuldig wäre?«
»Er und sein Vater schienen zu befürchten, dass man sie nicht gerecht behandeln würde, da sie den
bothach
angehören und in diesem Ort viele der freien Männer des Clans auf sie herabblicken und sie mit Verachtung strafen«, erwiderte Fidelma. »Das Gesetz existiert, damit niemand Angst vor unrechten Handlungen haben muss. Ich bedaure, dass Odar diese Tatsache nicht anerkennt.«
Brehon Tuama seufzte.
»Leider ist das Gesetz nur das, was auf Papier geschrieben steht. Es sind Menschen, die das Gesetz auslegen und anwenden, und allzu oft sind die Menschen schwache Geschöpfe, deren unbedeutendes Leben von den sieben Todsünden beherrscht wird.«
»Du sagtest, dass der Junge wieder in Odars Haus eingesperrt ist? Ist er unverletzt?«
»Er hat vielleicht ein paar Kratzer abgekriegt, aber ansonsten ist er unverletzt.«
»
Deo gratias
! Und der Vater?«
»Er ist in dem Schuppen hinter dem Haus des Fürsten eingeschlossen.«
»Dann lass uns zum Haus des Fürsten gehen und alle, die in diese Angelegenheit verwickelt sind, zusammenrufen. Höre dir an, was ich zu sagen habe. Wenn du danach meinst, dass eine Gerichtsverhandlung nötig ist, dann sei es so. Aber der Junge ist unschuldig.«
Eine halbe Stunde später hatten sich alle in der Großen Halle von Odars Haus versammelt. Neben Odar und seinem
tánaiste
|318| waren Brehon Tuama, Braon und sein Vater Brocc anwesend sowie auch Findach und Bruder Caisín.
Fidelma wandte sich zuerst an Brocc.
»Obwohl du ein
bothach
bist, hast du hart gearbeitet und genügend Vermögen angesammelt, sodass du bald in der Lage sein wirst, dir ein eigenes Stück Land zu kaufen und ein freies, vollwertiges Mitglied des Clans zu werden. Ist das richtig?«
Damit schien Brocc nicht gerechnet zu haben, doch er nickte ruckartig.
»Wärest du in der Lage, das Sühnegeld für Muirenns Tod zu bezahlen, die Wiedergutmachung, die für den Mord an ihr geleistet werden muss?«
»Ja, sollte die Schuld meines Sohnes bewiesen werden.«
»Natürlich. Denn jedermann weiß, dass dein Sohn noch nicht volljährig ist. Die Zahlung von Entschädigungen und Strafen für seine Vergehen, wenn er für schuldig befunden wird, fällt dir zu.«
»Das ist mir klar.«
»Allerdings. Das Gesetz ist bekannt.« Fidelma schaute nun Findach an. »Habe ich recht in der Annahme, dass deine Frau Muirenn den sozialen Rang eines
aire-echta
hatte und ihr Ehrenpreis zehn
séds
beträgt – der Wert von zehn Milchkühen?«
»Das ist kein Geheimnis«, blaffte Findach angriffslustig.
»Und ist dies nicht genau die Geldsumme, die Findach dir schuldet?«, fragte Fidelma nun Odar.
Der Stammesfürst errötete leicht.
»Und wenn schon! Ich kann doch wohl meinen Verwandten Geld leihen, wenn ich will.«
»Du weißt, dass Findach
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