Todesfee
mittellos ist. Würde Braon für schuldig befunden, erhielte Findach genau die Geldsumme als Entschädigung, die er dir schuldet, vielleicht sogar mehr, wenn |319| auch noch der Diebstahl eines Gegenstands im Wert von einundzwanzig
séds
bewiesen werden kann. Bestehst du etwa deshalb darauf, dass der Junge vor Gericht gestellt werden soll?«
Odar sprang auf und öffnete schon den Mund, um zu protestieren.
»Setz dich wieder hin!« Fidelmas Stimme war scharf. »Ich spreche hier als
dálaigh
, und ich lasse mich nicht unterbrechen.«
Nach einem Moment angespannter Stille fuhr sie fort: »Dies ist ein trauriger Fall. Es gab nie ein Silberkreuz, das man hätte stehlen können, nicht wahr, Findach?«
Der Schmied erbleichte.
»Deine Vorliebe für das Glücksspiel ist bekannt, und du hast oft Schulden bei Leuten wie zum Beispiel Odar … und dem Onkel deiner Frau, dem Abt von Cluain. Außerdem bist du faul. Anstatt der Arbeit nachzukommen, für die du ein Talent besitzt, zieht du es vor, dir Geld zu leihen oder es zu stehlen, sodass du dem Glücksspiel frönen kannst. Du hattest Schulden bei dem Onkel deiner Frau, und als er dir Silber für die Anfertigung eines Kreuzes gab, damit du auf diese Art deine Schuld begleichen könntest, hast du das Silber mit Sicherheit verkauft.
Das Kreuz für die Abtei von Cluain konntest du danach nicht mehr schmieden. Du hast schon seit Tagen, vielleicht seit Wochen nicht mehr in deiner Schmiede gearbeitet. Ihre Feuerstelle ist kalt wie ein Grab. Und wo wir gerade von Kälte sprechen … Als Braon Muirenn berührte, um festzustellen, ob er ihr helfen könne, bemerkte er, dass ihr Körper bereits kalt war. Muirenn kann also nicht an jenem Morgen getötet worden sein. Sie war bereits seit vielen Stunden tot.«
Findach sackte plötzlich auf seinem Stuhl in sich zusammen. Dann sank er vornüber, das Gesicht in den Händen vergraben.
|320| »Muirenn …«, stöhnte er gequält.
»Warum hast du Muirenn getötet?«, drängte Fidelma ihn. »Hat sie versucht, dich daran zu hindern, den Diebstahl des Kreuzes vorzutäuschen?«
Findach hob den Blick. Seine Miene war mitleiderregend.
»Ich wollte sie nicht töten, ich wollte nur, dass sie aufhört zu nörgeln. Einen Diebstahl vorzutäuschen war die einzige Möglichkeit, meinen Schulden zu entkommen … Ich habe sie geschlagen. Die ganze Nacht habe ich in der Küche neben ihrer Leiche gesessen und mich gefragt, was ich tun soll.«
»Und schließlich kam dir die Idee, zu behaupten, dass dieselbe Person, die deine Frau ermordet habe, auch das Silberkreuz gestohlen habe, dass du nie angefertigt hattest? Du wusstest, dass Braon an diesem Morgen kommen würde, und er war ein geeigneter Sündenbock.« Sie wandte sich zu Brehon Tuama.
»Res ipsa loquitur«
, sagte sie leise auf Latein, um zu zeigen, dass die Tatsachen für sich selbst sprachen.
Nachdem Findach gefangen genommen und Braon und sein Vater freigelassen worden waren, führte Fidelma ihr Pferd zur Straße nach Cashel. Brehon Tuama begleitete sie ein Stück des Weges.
»Eine böse Angelegenheit«, murmelte er. »Wir alle hier sind daran mitschuldig.«
»Vielleicht sollte Odar nicht länger Stammesfürst sein«, sagte Fidelma. »Er ist für dieses Amt nicht geeignet.«
Brehon Tuama nickte geistesabwesend. »War es ein glücklicher Zufall, dass du Findach verdächtigt hast?«, wollte er wissen.
Schwester Fidelma schwang sich in den Sattel ihres Pferdes und blicke mit einem Lächeln zu dem Brehon hinab.
»Ein guter Richter darf sich in seinen Schlussfolgerungen niemals auf den Zufall und das Glück verlassen. Findach hat |321| versucht, Dornen auf den Pfad unserer Ermittlungen zu legen, in der Hoffnung, dass sich der Junge oder Caisín die Füße daran stechen und schuldig gesprochen würden. Er hätte sich an das alte Sprichwort erinnern sollen: Wer Dornen auslegt, sollte nicht barfuß laufen.«
|322| GOLD BEI NACHT
»Gott sei Dank, dass morgen um diese Zeit alles vorüber ist, zumindest für die nächsten drei Jahre. Ich muss zugeben, dass ich mich völlig ausgelaugt fühle.«
Schwester Fidelma lächelte ihrem Begleiter zu, während sie am Ufer des breiten Flusses Bearbha spazieren gingen. Abt Laisran von Durrow war ein kleiner, wohlbeleibter Mann mit silbrigem Haar, der unbezähmbare Heiterkeit ausstrahlte. Er war mit einem seltenen Sinn für Humor und der Vorstellung geboren, die Welt sei ihren Bewohnern zur Freude geschaffen. Hierin unterschied er sich von vielen anderen Männern
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