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Todesfee

Todesfee

Titel: Todesfee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Tremayne
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den Rosenkranz mit. Fällt dir an dieser Erklärung irgendetwas auf, das nicht stimmt?«
    Bruder Gormgilla blickte unbehaglich drein.
    »Ich verstehe dich nicht.«
    Fidelma stapfte gereizt mit dem Fuß.
    »Komm schon, Bruder. Du warst fünfzehn Jahre lang bei Gelasius; du hast ihm morgens beim Aufstehen geholfen und ihn täglich zur Kapelle begleitet. Würde ein derart gebrechlicher alter Mann plötzlich mitten in der Nacht aus dem Bett aufstehen und losgehen, um sich Eindringlingen entgegenzustellen? Und warum sollten ihn diese Eindringlinge hierher zurückbringen, um ihn zu erhängen? Ein harter Schlag auf den Kopf |366| hätte sicher genügt, um Gelasius außer Gefecht zu setzen oder ihn gar zu töten.«
    »Das kann ich nicht sagen, Schwester. Pater Maílín meint …«
    »Ich weiß, was Pater Maílín meint. Was meinst du?«
    »Es steht mir nicht zu, Pater Maílíns Meinung zu hinterfragen. Er zog seine Schlüsse, nachdem er genauste Erkundigungen eingeholt hatte.«
    »Von wem, außer von dir, konnte er solche Erkundigungen einholen?«
    »Bruder Firgil war derjenige, der ihm von den fahrenden Söldnern berichtete.«
    »Dann bringe Bruder Firgil zu mir.«
    Bruder Gormgilla hastete davon.
    Fidelma ging in der Zelle umher und begutachtete die Manuskripte und Bücher auf den Wandregalen. Gelasius hatte in dem Ruf gestanden, ein außergewöhnlicher Gelehrter zu sein. Er besaß philosophische Schriften in Hebräisch, Latein und Griechisch und sogar Werke in der alten irischen Sprache, die in Ogham, dem ältesten irischen Alphabet, auf Holzstäbe geschrieben waren.
    Alles war ordentlich auf den Regalbrettern untergebracht.
    Gelasius war augenscheinlich ein methodischer und ordnungsliebender Mensch gewesen. Fidelma schaute sich einige der Bücher an. Sie erregten ihr Interesse, da sie sich mit den alten Geschichten ihres Volkes beschäftigten: Mythen von den heidnischen Göttern, den Kindern der Muttergöttin Danu, deren »göttliche Wasser« zu Anbeginn der Zeit die Erde fruchtbar gemacht hatten. Es war eine ungewöhnliche Sammlung für einen großen Theologen und Lehrer des christlichen Glaubens.
    Auf dem kleinen Schreibtisch lagen Pergament und Federkiele bereit. Hier hatte der Ehrwürdige Gelasius wohl gesessen und seine Werke verfasst, die in den lehrenden Abteien Irlands |367| weite Verbreitung fanden. Nun würde niemand mehr seine Stimme vernehmen. Sein Tod von der Hand gewöhnlicher Diebe hatte dem Neuen Glauben einen seiner größten Wegbereiter geraubt. Kein Wunder, dass der Abt sich nicht mit Pater Maílíns einfachem Bericht zufriedengeben wollte und Fidelma als eine ausgebildete
dálaigh
bei Gericht gebeten hatte, eine Untersuchung durchzuführen, die dem König selbst vorgelegt werden konnte.
    Fidelma blickte auf das Pergament nieder. Es war unberührt. Woran Gelasius auch gearbeitet haben mochte, er musste es vor seinem Tod vollendet haben, denn seine Schreibutensilien waren sauber und ordentlich aufgereiht. Alles war sorgfältig angeordnet, als ob es auf seinen Benutzer wartete …
    Plötzlich runzelte sie die Stirn. Ihr Blick war an etwas hängengeblieben, das zwischen den Seiten eines kleinen, in Kalbsleder gebundenen Buches auf einem Regal steckte. Doch warum sollte ein Stück Pergament, das aus einem Buch hervorlugte, ihre Aufmerksamkeit erregen? Sie war sich nicht sicher, bis ihr klar wurde, dass alles andere so wohlgeordnet war, dass dieses Papier gerade dadurch, dass es so unordentlich aussah, ihr Augenmerk auf sich zog.
    Sie streckte die Hand aus und zog es aus dem Buch. Der Pergamentschnipsel flatterte ihr aus der ungeschickten Hand und glitt langsam zu Boden. Sie bückte sich, um ihn aufzuheben. Dabei entdeckte sie etwas, das hinter einem der stabilen Beine von Gelasius’ Schreibtisch hervorschaute. Schnell befreite sie den Gegenstand aus seinem Versteck.
    Es war ein eiserner Schlüssel, der sich kalt und fettig anfühlte. Einen Moment lang stand sie da und betrachtete ihn, dann ging sie zur Tür und schob ihn ins Schloss. Er passte, und sie drehte ihn langsam herum. Dann drehte sie ihn zurück, zog ihn aus dem Schloss und ließ ihn in ihrem
marsupium
verschwinden.
    |368| Nun wandte sie ihre Aufmerksamkeit dem Stück Pergament zu. Darauf war eine Notiz in Ogham. Nur eine Zeile, ein halb formulierter Satz, nicht mehr. Sie lautete: »Indem wir all das, was vor uns kam, verachten, verleumden und vernichten, werden wir unsere und die kommenden Generationen nur eines lehren: Verachtung für unseren

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