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Todesfinal

Todesfinal

Titel: Todesfinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Schuberth
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den Flur zur Haustür. Als er öffnete, sah er in das lächelnde Gesicht seiner Nachbarin.
    »Gut, dass Sie noch wach sind«, sagte sie. »Ich hab Licht gesehen, sonst hätte ich ganz bestimmt nicht geklingelt.«
    Sie brach ab und sah Morlov fragend an, als würde sie warten, dass er etwas sagte. Aber Morlov blieb stumm.
    »Ich bin nur gekommen wegen heute Nachmittag. Wir wollten uns ja heute treffen wegen der Messe.«
    Heute Nachmittag. Morlov hatte den Termin völlig vergessen.
    »Sie hatten wahrscheinlich keine Zeit, Sie hatten sicher viel zu tun.«
    »Ich hatte viel zu tun«, sagte Morlov.
    »So viel zu tun, dass Sie auch nicht anrufen konnten.« Der Ton in ihrer Stimme klang nicht vorwurfsvoll, sie wollte ihm sagen, was sie hören wollte, und sie wollte vor allem nicht die Wahrheit erfahren, dass er es einfach vergessen hatte.
    »Ja«, sagte Morlov. »Ich hatte so viel zu tun, dass ich Ihnen gar nicht Bescheid sagen konnte.«
    Einen Augenblick herrschte Schweigen.
    »Vielleicht könnten wir ja jetzt über die Messe reden?«
    »Jetzt?«, fragte Morlov.
    »Warum nicht. Sie kommen noch kurz zu mir. Ich habe selbstgebackenen Birnenkuchen. Den müssen Sie probieren.«
    Morlov sah sie stumm an. Sie hatte einen eng anliegenden Pullover an. Sie lächelte wieder.
     
    Zehn Minuten später saß Morlov in der Küche von Lederers. Er war schon öfter hier gewesen und fühlte sich in den Räumen des Hauses immer, als säße er in einem überdimensionierten Puppenhäuschen. Die vielen Deckchen, die selbstgenähten Aufsetzer auf dem Tisch und die Tuschebilder an der Wand, die verwischte Landschaften zeigten, alles war liebevoll ausgewählt, mit großer Sorgfalt an der richtigen Stelle platziert, so dass kein Raum mehr zu bleiben schien für einen Besucher wie Morlov.
    Und hätte Morlov nicht schon zu viel Alkohol im Blut gehabt, hätte er sich sicher so unwohl gefühlt wie bei seinen vorherigen Besuchen. Aber jetzt spürte er nur eine wohlige Ist-doch-alles-egal-Stimmung und nahm ein drittes Stück von dem Birnenkuchen. Ein ausgezeichneter Kuchen, backen konnte die Lederer, das musste man ihr lassen.
    Die Lederer hatte ihm gesagt, dass ihr Mann für zwei Tage zu seiner Schwester gefahren sei, um dort etwas am Haus zu reparieren.
    Morlov war ganz froh darüber. Sonst war ihr Mann immer irgendwann aufgetaucht, hatte sich zu ihnen an den Tisch gesetzt und dann angefangen, von seinen Reparaturarbeiten zu erzählen. Das kleine Männchen mit dem schütteren Haar konnte stundenlang über Schrauben reden. Die Leute würden denken, Schraube sei Schraube und es sei doch egal, aber die hätten eben keine Ahnung und wüssten nicht, dass es schon eine Unmenge verschiedener Schraubenköpfe gebe. Dreikantschraubenköpfe, Vierkantschraubenköpfe, Sechskantschraubenköpfe, Innensechskantschraubenköpfe, Schlitz-, Phillips-Kreuzschlitz- oder Pozidriv-Kreuzschlitzschraubenköpfe. Außerdem Innenvielzahnschraubenköpfe, Außenvielzahnschraubenköpfe, Inbusschraubenköpfe, Torxschraubenköpfe und so weiter. Und dann müsse man auch noch auf die Festigkeitsklasse achten. Und natürlich auf die Gewindenormen.
    Die richtige Schraube auszuwählen, das sei eine Kunst für sich. Tausend Dinge müsse man bedenken und dann müsse man auch natürlich das richtige Werkzeug für die entsprechende Schraube haben. Wer glaube, er komme da mit einem einfachen Schraubenzieher weiter, der habe wirklich keine Ahnung.
    So redete Lederer die ganze Zeit und mehr und mehr kam Morlov zu der Überzeugung, dass der Mann da vor ihm eine gewaltige Schraube locker hatte, der mit keinem Werkzeug beizukommen war.
    Aber heute würde Morlov keinen Vortrag über Schrauben hören. Die Lederer sah ihm mit großer Begeisterung beim Essen zu, und als Morlov ihren Kuchen lobte, hatte ihr Gesicht vor Freude geglüht.
    »Ich habe noch etwas für Sie«, sagte sie plötzlich. Sie ging zur Kommode, holte eine Flasche heraus und stellte sie auf den Tisch. Dann holte sie zwei kleine Schnapsgläser und stellte sie vor sich und Morlov.
    »Selbstgemachter Birnenschnaps. Sie werden begeistert sein.«
    »Ich wollte eigentlich nichts mehr trinken.«
    »Aber kommen Sie, Sie müssen einfach probieren.«
    Morlov sah die Lederer an, dann nickte er. »Aber nur ein Gläschen.«
    Sie schenkte zwei Gläser voll, sie stießen an und beide tranken in einem Zug.
    Sie schenkte sofort wieder ein, und Morlov trank seinen zweiten Birnenschnaps, ohne darüber nachzudenken. Er hatte die Grenze überschritten, es

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