Todesfinal
hatte sich zurückgelehnt und die Arme verschränkt.
Panzer sah ihn an, als müsste er sich erst wieder erinnern, worüber sie gesprochen hatten. »Was war da mit dem Russen?«, fragte er. »Der hat versucht, dich umzubringen?«
»Das war ein Amateur«, sagte Morlov. »Der hat sich als GEZ-Fahnder ausgegeben. Wollte kontrollieren, ob ich einen Fernseher habe.«
»Aber wie kommt der denn auf so eine Idee? Du zahlst doch deine Fernsehgebühren.«
»Darum geht es doch jetzt nicht.«
»Aber wenn du keine Fernsehgebühren zahlst, – das kannst du nicht machen. Das ist ein hochwertiges Programm, das du jeden Tag anschauen kannst. Das kostet viel Geld.« Panzer sah Morlov eindringlich an. »Ich bin cool und zahle Fernsehgebühren«, zitierte Panzer dann einen der Werbesprüche der GEZ.
»Es geht jetzt nicht um diese blöden Fernsehgebühren«, sagte Morlov. »Auf mich wurde geschossen. Dieser Typ wollte mich umbringen.«
Panzer spachtelte wieder ein Stück Schweinebraten in sich hinein. »Ja, das ist sehr beunruhigend, das kann einem wirklich Sorgen machen«, sagte er. »Das könnte heißen, dass deine Deckung nicht mehr sicher ist.«
»Oder dass du mich aus dem Weg haben willst.«
»Also, jetzt lass endlich diese Verdächtigungen, ich hab damit nichts zu tun. Das kann ich dir versichern.« Er kaute an seinem Schweinebraten. »Ich bin wirklich enttäuscht, dass du so was denkst«, sagte er. »Ich hab immer gedacht, dass mehr zwischen uns ist als nur eine berufliche Beziehung …« Panzer stockte, suchte nach Worten, aber das konnte auch nur gespielt sein, um eine Gefühlsregung vorzutäuschen. »Ich meine, dass einen auch interessiert, was der andere so macht. Ich zum Beispiel interessiere mich für dich.«
Täuschte sich Morlov oder waren Panzers Augen tatsächlich feucht? Er wusste, worauf Panzer anspielte. Dass er es war, der ihn damals aus dem Waisenhaus geholt hatte. Dass er, obwohl nur fünfzehn Jahre älter, ein Ersatzvater für ihn gewesen war. Dass er ihn ausgebildet hatte. Dass er alles für Morlov gewesen war, Vater, Bruder, Mentor. Morlov hatte damals niemanden gehabt. Er hatte das Waisenhaus gehasst und Panzer hatte ihn daraus gerettet. Genau das war der Grund, warum es so schwer für Morlov werden würde, Panzer umzubringen.
»Und wenn ich dich frage, wie es dir geht, dann will ich das auch wissen, dann ist das nicht nur eine Floskel. Denn ich sehe doch, Simon, dir geht es nicht gut. Du kommst in das Alter, wo man sich bestimmte Dinge fragt. Und ich muss dir auch sagen, du lebst einfach viel zu einsam in deinem Dorf da draußen.« Panzer schüttelte den Kopf, steckte wieder ein Stück Schweinebraten in den Mund, kaute, um dann weiterzureden. »Und ich habe eine Frage an dich, Simon. Diese Frage mag vielleicht seltsam für dich klingen. Hast du einen Freund, Simon? Ich meine damit einen Menschen, dem du ganz und gar vertraust. Mit dem du alles bereden kannst, was dich bedrückt. Ich hab das erst kürzlich in so einer Zeitschrift gelesen. Freunde sind das Wichtigste.«
Panzer machte wieder eine Pause. Warum bringt mich das nur so auf die Palme, sein Gerede von Freundschaft, dachte Morlov. Ich sollte ihn umbringen. Warum eigentlich nicht? Aber Morlov wusste, dass Panzer zu gewitzt war. Er hatte sicher alle Vorsichtsmaßnahmen getroffen, die man sich nur denken konnte. Wenn du mich umbringst, dann zieht dich das in den Abgrund. Das waren die unausgesprochenen Worte, die hinter dem Gerede von Freundschaft und Vertrauen standen.
»Ich habe immer gedacht, ich bin so was für dich. Ein Freund. Hast du denn alles vergessen? Vielleicht hältst du mich für gefühlsduselig, aber es verletzt mich, wenn du so tust, als wäre da nichts mehr zwischen uns, als könnten wir uns nicht wirklich vertrauen.«
Morlov musste schlucken. Er wehrte sich gegen diese Gefühle, aber Panzers Worte trafen ihn.
Eine Zeitlang schwiegen beide. Panzer vertilgte seinen Schweinebraten und auch Morlov begann, von seinem Rindersteak zu essen. Er musste zugeben, dass es ausgezeichnet war. Panzer sah Morlov prüfend an.
»Du hast doch die Unterlagen inzwischen vernichtet?«
Die Unterlagen. Morlov war beinahe so weit gewesen, Panzer zu glauben, dass er tatsächlich Freundschaft für ihn empfand. Aber die Frage nach den Unterlagen zeigte, worum es Panzer wirklich ging.
Die Unterlagen waren Morlovs Versicherung. Er hatte von Anfang an jeden Mord protokolliert. Am Anfang war es eine Marotte gewesen. Aber später war Morlov klar
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