Todesfinal
Skamper. »So eine Suche bedeutet auch immer Gefahr. Nicht so, wie Sie denken. Es kann sein, dass Sie die Suche verändert. Auf eine erschreckende Art und Weise verändert. Sind Sie denn dafür bereit?«
Skamper zögerte einen Moment. Die Situation erinnerte ihn an etwas. Er musste an das Gespräch mit dem Bettler in der Nürnberger Fußgängerzone denken. War der schwarz gekleidete Mann vor ihm dieser Bettler? Es war unmöglich zu sagen, dazu hätte er damals dessen Augen sehen müssen. »Ich denke schon.«
»Jetzt mach unserem Neuling nicht solche Angst, Simon. Er könnte ja glauben, dass es wirklich um etwas Gefährliches geht. Wollen Sie sich nicht setzen?« Lederer hatte einen Klappstuhl von der hinteren Wand geholt und stellte ihn neben den von Morlov. Skamper ging um den kleinen Tisch herum, auf dem die Bücher von Lederer ausgestellt waren, und setzte sich. Dann nahm er einen Schluck von seinem Kaffee. Er hatte ihn bisher nicht angerührt.
»Ich mach noch mal Kaffee«, sagte Veronika Lederer. »Du willst doch sicher auch noch eine Tasse.« Sie hatte sich an Morlov gewandt, wartete aber dessen Antwort nicht ab und verschwand mit einer Thermoskanne.
Einen Moment schwiegen Morlov und Skamper. Dann begann Morlov zu reden. »Bei einer Schatzsuche, wie ich sie meine, kommt es vor allem auf Vertrauen an. Derjenige, der den Schatz versteckt und dem Schatzsucher ein unvergessliches Erlebnis bereiten möchte, will sichergehen, dass sich auch der Richtige auf die Suche macht. Dass es nicht Zufall war, dass es nicht Glück war, sondern dass der Sucher derjenige war, der bestimmt war für dieses Abenteuer. Dass er dieses Vertrauen verdient hat.«
Skamper spürte ein Kribbeln auf der Haut. Morlov hatte die ganze Zeit ins Leere geblickt, als würden sich seine Worte gar nicht an Skamper richten. Jetzt sah er Skamper an. »Verdienen Sie denn dieses Vertrauen?«
Für einen kurzen Augenblick hatte Skamper den dringenden Wunsch aufzustehen, wegzugehen, nach Hause zu fahren und alles, was er seit Viktors Auftauchen erlebt hatte, zu vergessen. Aber dieser Wunsch war im nächsten Moment verflogen und Skamper sah es als eine kleine, irritierende Reaktion seines Körpers, die auf die schlechte Luft in der Halle zurückzuführen war.
»Ich möchte auf jeden Fall versuchen, das Vertrauen nicht zu enttäuschen.« Skamper hatte fast feierlich gesprochen, ihm kam auf einmal die Idee, dass er hier nur eine Rolle spielte, die Rolle in einem Spiel, dessen Regeln ein anderer bestimmte.
Morlovs Blick ruhte noch immer auf Skamper. »Sie denken vielleicht, Sie suchen irgendein Versteck, wertlose Dinge in einem Plastikbehälter, aber wenn Sie ernsthaft suchen, werden Sie verstehen, dass es nicht nur um ein Versteck geht. Bei der Schatzsuche, von der ich rede, suchen Sie eine Erfahrung. Eine Erfahrung, die Sie nicht vergessen, die Sie ändert, die Ihnen Wissen schenkt und Wahrheit. Die Wahrheit über sich selbst und Ihre größten Ängste. Sie suchen Erkenntnis.«
In diesem Moment kam Veronika Lederer mit der Thermoskanne zurück. Sie stellte zwei Tassen auf den kleinen Tisch und füllte sie. »So, jetzt haben wir alle drei Kaffee.« Sie sah auf Skampers Teller. »Sie haben ja noch gar nichts von dem Kuchen gegessen. Sie müssen wenigstens davon probieren, sonst bin ich beleidigt.« Sie kicherte. Das fröhliche Geplapper wischte die eigenartige Spannung zwischen den Männern einfach weg.
Skamper probierte ein Stück von dem Kuchen. »Der ist wirklich ausgezeichnet.«
Sie lachte wieder. »Sie sind ein Schmeichler.« Sie wandte sich an Morlov. »Du musst ihm sagen, wo du deine Caches veröffentlichst.«
Morlov sagte nichts.
»Es gibt Verstecke von ihm, die hat noch niemand gefunden. Aber es ist ungeheuer aufregend, danach zu suchen. Sie wissen ja, der Weg ist das Ziel.«
»Ich würde sehr gerne nach einem von diesen Verstecken suchen.«
Morlov sah Skamper prüfend an. Dann holte er eine Geldbörse aus seiner Hosentasche, nahm eine Visitenkarte heraus und reichte sie Skamper. Der blickte kurz darauf. »Simon Morlov« stand da in feinen, ziselierten Buchstaben. Darunter eine Internetadresse. Skamper steckte die Visitenkarte in seine Hosentasche.
»Ich wünsche Ihnen viel Glück bei Ihrer Suche«, sagte Morlov.
Skamper fand Arabella und Jasmin in dem kleinen Café, in dem sie zwei Stunden zuvor Cappuccino getrunken hatten. Bei ihnen saß ein älterer Herr. Sein weißes Haar war ungekämmt und stand wirr vom Kopf ab. Er trug einen
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