Todesfinal
wunderbarer Frühlingstag, doch jetzt waren dunkle Wolken am Himmel aufgetaucht, die Dämmerung hatte eingesetzt, bald würde es dunkel sein.
Das Gebäude, vor dem sie standen, war vielleicht fünfzig Meter lang und zwanzig Meter breit. Ein Bau aus rotem, verwittertem Backstein. Wo einst Fenster gewesen waren, klafften schwarze Löcher in der Mauer. Skamper fragte sich, wie lange es her war, dass man diese Fabrik aufgegeben hatte.
Sie standen an der Frontseite, vor zwei großen, offenen Toren, die den Blick ins Innere freigaben. Maschinen gab es keine mehr, alles war leergeräumt, der Boden war mit Dreck übersät.
Die Innenwände waren voll mit Graffitis und Schmierereien. Offensichtlich war dieser Ort auch Treff der örtlichen Landjugend, auf dem Boden lagen Zeugnisse heftiger Besäufnisse, zerbrochene Bierflaschen und Überreste eines Lagerfeuers.
Doch jetzt war hier alles verlassen und auch auf dem kleinen Wanderweg hierher hatten Skamper und Arabella niemanden getroffen.
Markoven war in Nürnberg zurückgeblieben. Skamper hatte ihn gefragt, ob er zu dem Versteck mitgehen wolle, er hatte schließlich das Rätsel zu dem Cache geknackt. Doch Markoven hatte abgelehnt. »Das ist nichts mehr für mein Alter. Aber Sie müssen mir Bescheid geben, wie es gelaufen ist.«
Skamper hatte versprochen, sich sofort zu melden, wenn sie von ihrem Ausflug zurückkommen würden.
Auf der Fahrt hierher hatte Skamper noch lange überlegt, was er von Markovens Geschichten halten sollte. Am Morgen hatte er im Internet recherchiert, hatte versucht, etwas herauszufinden über die Fälle, von denen Markoven erzählt hatte, und hatte auch nach Markoven selbst gesucht, doch er hatte nichts Brauchbares finden können.
Skamper blickte wieder auf sein Navigationsgerät.
»Ist es da drin?«, fragte Arabella.
Skamper nickte. »Ungefähr zwanzig Meter in diese Richtung.« Skamper zeigte direkt nach vorne. Sie betraten die leere Halle. Durch die großen, offenen Fenster wehte ein kühler Wind. Skamper ging langsam vorwärts, hinter ihm Arabella. Das GPS-Gerät zeigte noch fünfzehn Meter an. Der Empfang funktionierte auch hier.
»Glaubst du, es gibt hier Ratten?«, fragte Arabella.
»Bestimmt.«
»Bestimmt. Ich wollte eigentlich, dass du mich beruhigst.«
Skamper blickte nach oben. Es gab noch einen zweiten Stock, den man über eine verrostete Treppe an einer der Seitenwände erreichen konnte. Auf einmal hörten sie ein Geräusch. Skamper blieb stehen. »Da ist etwas.«
Das Geräusch war von oben gekommen. Jetzt hörten sie es wieder, Schritte, das waren eindeutig Schritte. Skamper zog Arabella an die Seite zu einer der alten Eisentreppen.
»Wer ist da oben?«, flüsterte Arabella.
»Keine Ahnung, vielleicht ein Geocacher.« Skamper ging leise die Treppe hoch, doch dann trat er gegen eine leere Bierflasche, die nach unten fiel und mit einem lauten Knall zerschellte. Die Schritte über ihnen verstummten.
»Hallo, ist da wer?«, ertönte es von oben.
Die Stimme eines Mannes. Skamper überlegte einen Moment. Von dem Fremden schien keine Gefahr auszugehen, sonst hätte er sich nicht gemeldet. Er ging weiter die Treppe hoch, kam auf eine Plattform, die ähnlich wie der untere Teil der Halle vollständig leer war. Ungefähr fünf Meter vor ihm stand ein Mann, der ihn misstrauisch musterte. Skamper reichte Arabella die Hand und half ihr, hochzukommen.
»Was machen Sie hier?«, fragte der Mann.
Skamper blickte auf die Figur vor ihm. Ein Typ, kaum älter als zwanzig Jahre, der aussah, als hätte er sich für den Fasching als Indiana Jones verkleidet. Ein schmales Gesicht, auf dem Kopf ein verwegen aussehender brauner Hut. Unter der grauen Lederjacke hatte er ein grünes Khaki-Hemd an. Die braune Hose, die er trug, hatte riesige Taschen an den Seiten. Sie waren ausgebeult, es sah aus, als hätte der Junge einen ganzen Werkzeugkasten darin untergebracht.
Hinter der Hornbrille saßen zwei kleine Äuglein, die Skamper zornig anblinzelten. »Also?«, fragte er. »Was machen Sie hier?«
»Wir wollten uns die Fabrik anschauen«, sagte Arabella.
»So so«, sagte der Junge. »Die Fabrik anschauen. Und das soll ich Ihnen glauben.« Er hatte eine quäkende Stimme.
»Warum nicht?«, sagte Skamper.
»Weil ich glaube, dass Sie gar nicht so zufällig hier sind. Weil ich sicher bin, dass Sie hier was ganz anderes suchen und mir einen Bären aufbinden wollen.«
Skamper wusste nicht, was er von den Jungen halten sollte. Was ging ihn das an, was sie
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