Todesfinal
nicht darauf ein. »Du kannst jetzt nicht schlafen. Sie kommt gleich.«
Wen meinte der Graue?
»Sag ihr, dass es nicht mehr lange dauert, es geht auf das Ende zu.«
Im nächsten Moment hörte Morlov, wie ein Auto die Hauptstraße des kleinen Dorfs hochfuhr und dann vor seinem Haus hielt. Morlov stand auf und ging zum Fenster.
Ein blauer VW Golf. Eine Frau stieg aus. Sie war schlank, fast zierlich und trug eine braune Lederjacke, die ihr zu groß war. Sie sah zu Morlovs Haus hinüber, wirkte unschlüssig, hatte noch ihren Autoschlüssel in der Hand, betrachtete ihn einen Moment lang. Schließlich drückte sie auf den Knopf des Schlüssels, um die Türen des Wagens zu verschließen. Dann ging sie auf das Haus zu.
Morlov wartete am Fenster. Der Stuhl, auf dem der Graue gesessen hatte, war leer. Es klingelte, Morlov ließ die Frau ein zweites Mal klingen, dann ging er zur Tür.
Er öffnete, und als er sie von Nahem sah, wusste Morlov, wer sie war. Er hatte ihr Foto im Internet gesehen. Als er über Paul Skamper recherchiert hatte. Die Frau, die vor ihm stand, war Skampers Ex-Frau.
»Mein Name ist Dora Kohörner, ich bin von der Nürnberger Kriminalpolizei.«
Sie hatte einen Ausweis in der Hand, Morlov blickte kurz darauf, dann steckte sie ihn wieder ein.
»Sind Sie Simon Morlov?«
Morlov nickte.
»Es geht um Marek Klöpper. Ein Fahnder von der Gebühreneinzugszentrale. Nach unseren Informationen war er bei Ihnen, kurz bevor er verschwand.«
»Deswegen waren schon Kollegen von Ihnen hier.«
»Richtig, aber es sind neue Erkenntnisse aufgetaucht. Darf ich vielleicht hereinkommen?«
Morlov zögerte einen Moment, dann machte er eine einladende Handbewegung.
Dora setzte sich auf den Stuhl, auf dem vorher der Graue gesessen hatte. Sie holte sich einen Notizblock hervor.
»Sie sind nicht wegen diesem GEZ-Typen hier«, sagte Morlov.
Dora blickte ihn überrascht an.
»Paul Skamper hat Sie geschickt. Wahrscheinlich hat er Sie gebeten, mir etwas auf den Zahn zu fühlen.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Sie sind die Ex-Frau von Paul Skamper. Der GEZ-Typ interessiert Sie doch gar nicht. Außerdem soll der sich doch nach Tschechien abgesetzt haben.«
Dora wusste einen Moment nicht, was sie sagen sollte.
»Aber sagen Sie Skamper, dass ich ihm deswegen nicht böse bin. Ich hätte wahrscheinlich dasselbe gemacht an seiner Stelle.«
Dora schwieg noch immer.
»Was hat er Ihnen denn von mir erzählt?«, fragte Morlov.
Dora zögerte einen Augenblick. Dann beschloss sie, ganz offen zu sein. Diesem Mann etwas vorzumachen, hatte keinen Sinn. »Er glaubt, dass Sie etwas mit diesen dubiosen Vorgängen in der Geocaching-Szene zu tun haben. Und dass Sie das Artefakt haben.«
Morlov lehnte sich zurück und lächelte. »Welches Artefakt?«
»Sie wissen, wovon ich rede.«
»Wenn Sie nach dem Artefakt suchen, Sie können sich hier gerne umsehen, bitte.« Morlov machte eine einladende Handbewegung, doch Dora ging nicht darauf ein.
»Er hat auch gesagt, Sie hätten ihm gegenüber einen Mord zugegeben.«
Morlov sah sie lange an. Er lächelte immer noch. Er lehnte sich nach vorne. »Und Sie glauben ihm?«
»Ich frage Sie nur, ob das wahr ist.«
»Es ist richtig, dass wir über einen Mord gesprochen haben. Es ging allerdings um den Mord, den er begangen hat.«
Dora schluckte. Der Kerl ist völlig durchgedreht, hatte sie Skamper gewarnt. Bisher hatte sie mit einem ruhigen, sachlich wirkenden Mann gesprochen. Und doch war etwas an ihm, das sie an Skampers Worte denken ließ. Sie hatte die Jacke nicht abgelegt, obwohl es in der Küche angenehm warm war. Doch sie spürte ein leichtes Frösteln. »Das müssen Sie mir schon genauer erklären«, sagte sie.
Morlov ging nicht auf ihre Frage ein. »Nach dem Gespräch mit Skamper habe ich mir oft gedacht, wie es für Sie gewesen sein muss, als er endlich zurückgekommen ist. Sie haben ihn gesehen, und Sie hatten nur ein Gefühl: dass ein anderer vor Ihnen stand. Ein ganz anderer Mann, nicht der Mann, der Sie vor Jahren verlassen hatte. Noch heute ist er ein anderer. Etwas von ihm ist im Dschungel geblieben. Es ist immer noch dort, er ist niemals ganz zurückgekehrt.«
Er spielt Psychospielchen mit dir, warnte eine Stimme Dora. Doch ihre Kehle war trocken, es war, als hätten seine Worte etwas in ihr berührt, was sie seit Jahren versucht hatte, zu vergessen.
»Er hat nie über das gesprochen, was damals passiert ist. Es gab Zeitungsberichte, es gab dieses Buch mit seinen
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