Todesflirt
warten lassen, aber als ich mit dem Fahrrad die S-Bahn-Brücke hinuntersauste, sah ich sein lavendelfarbenes Polohemd schon von Weitem leuchten. Er fächerte sich mit der Eiskarte Luft zu, hatte die Beine weit ausgestreckt und wirkte wie ein Bär, den nichts auf der Welt erschüttern konnte. Ich parkte das Fahrrad hinter der Bushaltestelle und ging auf ihn zu. Mit diesem Typen war ich mal zusammen gewesen? Das musste in einem anderen Leben gewesen sein. Seine Augen erkannte ich hinter der Sonnenbrille nicht. Sein Mund verzog sich zu leichtem Spott, als er mich entdeckte. Er rührte sich nicht, machte keine Anstalten, mich zu umarmen oder überhaupt zu berühren. Ich ließ mich auf den heißen Plastikstuhl fallen, der sofort unangenehm meine kurzbehosten Oberschenkel malträtierte. Ich rutschte dichter an Max in den Schatten. Eine Kellnerin brachte ihm einen riesigen Eisbecher mit Unmengen von Früchten, Sahne und Schokosoße. Mir wurde fast schlecht bei dem Anblick und ich bestellte nur ein Bitterlemon.
»Hast du dir die Haare geschnitten, damit dich niemand erkennt?«, fragte er. Ich bleckte die Zähne. Haha!
»Woher hast du das Foto?«, fragte ich noch einmal ohne Umschweife. Ich würde keine Sekunde länger als nötig mit ihm hier sitzen. Genüsslich schleckte er Sahne von seinem langstieligen Löffel.
»Hab ich doch schon gesagt: von einem Freund.«
»Von welchem?«
»Geht dich nichts an.«
»Hey! Ich glaub, es tillt! Da stellst du ein Foto von mir in einer der intimsten Situationen, die es gibt, ins Netz und behauptest, es geht mich nichts an?«
Er hob die Schultern, löffelte ungerührt weiter.
»Max«, ich versuchte es ein wenig flehentlicher. »Ich weiß nicht genau, was gerade passiert – aber irgendwer unternimmt in letzter Zeit Dinge, um mir zu schaden. Und ich weiß, weder wer noch warum.«
»Aber du würdest es gerne wissen.«
»Cleverle!«
Er ließ den Löffel ein paar Mal auf der Unterlippe aufdotzen.
»Macht dir das Angst?«
Wie er sich suhlte in der Vorstellung! Dann deutete er kurz mit zusammengelegten Fingerspitzen auf seinen Brustkorb.
»Ich bin’s nicht!«
Ich nahm einen großen Schluck eiskaltes Bitterlemon, kühlte mit dem beschlagenen Glas mein Dekolleté.
»Warst du das nicht, neulich Abend an der Tür? Und ein paar Tage davor auf dem Feldweg?«
Jetzt grinste er völlig ungehemmt.
»Okay, das geb ich zu. Das war in meinem ersten Schmerz. Sozusagen. Ich wollte wissen, ob du dich mit diesem Scheiß-Typen aus deinem Kindergarten triffst, und bin dir hinterhergefahren. Als ich gesehen habe, dass du dich nur mit Toni triffst, habe ich gedacht, ich warte bei eurem Haus, und wenn du kommst …«
»... reißt du mich vom Fahrrad. Super Plan. Und zur Tarnung hast du auch noch ein anderes Auto benutzt.«
»Ja, sorry. Das Auto war von Schmolzi«, jetzt wand er sich ein bisschen in seinem Stuhl, pickte an einer Erdbeere herum. »Bis mir klar wurde, dass du wahrscheinlich einen Riesenschreck bekommen könntest, war es schon zu spät.«
»Und deswegen hast du mich lieber gleich vom Fahrrad geschubst, damit sich der Schreck auch lohnt, oder was?«
Seine auch sonst schon roten Wangen ließen das Gesicht glühen.
»Das war blöd, ich weiß. Ich wollte dich gar nicht schubsen. Aber … irgendwie … ich war so sauer, weil du mit dem Typen … und dann dachte ich, weil du da mit Toni gesessen bist, dass da vielleicht gar nichts läuft, aber als ich dich dann gesehen habe … mei, ziemliches Gefühlschaos halt.«
Ich atmete tief ein. Senkte den Kopf. Spürte, wie er zappelte. Spürte, dass er mit mir noch immer nicht abgeschlossen hatte. Am liebsten hätte er meine Hand genommen, ganz bestimmt. Ich schob die Finger unter meine Oberschenkel.
»Von wem ist das Foto?«
Er warf den Kopf nach hinten.
»Keine Ahnung. Das hat mir irgendjemand auf Facebook als Nachricht geschickt, ich kenn den nicht. Der nennt sich ›Landfreund‹, hat kein Foto von sich und auf seiner Seite ist nichts öffentlich. Ich hab ihm eine Freundschaftsanfrage geschickt, aber er hat nicht drauf reagiert.«
»Und hat er zu dem Foto was dazu geschrieben?«
»Nur ›interessiert dich vielleicht‹.«
Ich drehte mein leeres Glas in den Händen.
»Komisch. Ich meine, das Foto ist gemacht worden, nachdem wir uns getrennt haben. Dann macht das doch keinen Sinn mehr, oder? Andererseits – du hattest nichts Blöderes zu tun, als es zu posten.«
Wieder zuckte er die Schultern, schürzte die Lippen. Ob das
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