Todesflut: Thriller
seinen Beinen nach unten glitt. Sie schrie gellend auf.
»Festhalten!«, rief er hilflos.
»Zieht mich hoch!«
Kai sah einen Gurt von einem der hinteren Sitze baumeln. Mit einer Hand griff er nach ihm und zog sich daran hoch. Mit vor Entsetzen geweiteten Augen sah Chuck tatenlos zu.
Kais Beine hingen noch immer aus dem Hubschrauber. Teresa umklammerte sie so fest sie konnte.
»Du kannst mich jetzt loslassen!«, rief Kai seinem Bruder zu. »Hol Teresa!«
Als sie endlich an Bord war, schlug Kai die Tür hinter ihr zu.
Brad blieb auf dem engen Boden liegen, es gab keinen anderen Platz mehr für ihn. Sie stellten ihre Füße auf ihn. Teresa warf sich Kai in die Arme und weinte vor Erleichterung. Dankbar, dass sie nicht noch jemanden verloren hatten, drückte er sie an sich.
»Alles in Ordnung?«
Noch von der Anstrengung keuchend, nickte sie. »Ich glaube, ich habe für den Rest meines Lebens kein Adrenalin mehr übrig.«
»Ich auch nicht.«
»Nun Rachel«, drängte sie.
»Stan«, rief Kai, so laut er konnte.
Der Pilot wies auf die Kopfhörer, die von der Decke baumelten. Kai setzte sie auf und hielt den Schalter gedrückt, während er in das Mikrofon sprach.
»Mr. Tanaka, nehme ich an«, begrüßte ihn Stan über Bordfunk. »Wir sind auf dem direkten Weg zum Grand Hawaiian Hotel.« Der Hubschrauber beschrieb eine scharfe Kurve. »Ich habe Funkverbindung mit Ihrer Frau.«
»Kai?«, vernahm er Rachel. Ihre Angst war deutlich zu hören, auch wenn sie nur seinen Namen gesagt hatte. »Das Gebäude schwankt und kracht. Als würde man auf dem größten Wackelpudding der Welt stehen.« Er bewunderte sie, dass sie selbst in dieser Lage einen Scherz zu machen versuchte.
»Wir sind unterwegs zu dir, Rachel. In weniger als einer Minute sind wir bei dir.«
»Ich glaube nicht, dass ihr es rechtzeitig schafft.« Selbst durch den Lärm des Hubschraubers hindurch konnte Kai das Knirschen von Metall, das unter großem Druck stand, hören. Er lehnte sich nach vorn ins Cockpit und sah das Hotel einen Kilometer entfernt genau vor sich. Sie konnten in Sekunden dort sein. Aber Rachel hatte recht, es war zu spät. Aus dem Gebäude drang an allen Ecken und Enden Staub, verräterische Zeichen des unmittelbar bevorstehenden Einsturzes, wie er sie auch an den anderen Gebäuden hatte beobachten können, die ein Opfer der Flut wurden. Trotzdem gab er die Hoffnung nicht auf.
»Klar schaffen wir es, Schatz!«
»Sag Teresa, dass ich ihre Arbeit nun verstehe.«
»Du kannst selbst mit ihr sprechen. Ich kann dich sehen.«
»Ja, Kai. Ich liebe dich. Es war schön mit dir.«
»Rachel, nein, wir holen dich!«
»Pass gut auf Lani auf. Wie gern hätte ich miterlebt, dass sie groß wird. Es tut mir so weh, dass ich es nicht erlebe.« Er konnte den Schmerz in ihrer Stimme hören.
»Rachel.«
»Liebstes, mein Liebstes.«
Tränen liefen Kai über das Gesicht, aber er ließ die Augen nicht vom Hotel.
»O Rachel, ich liebe dich. Verlass uns nicht.«
»Ich will euch nicht verlassen. Ich liebe euch. Ich liebe euch. Ich …«
Plötzlich war ihre Stimme weg. Ein unglaubliches Donnern und Dröhnen folgte.
»Rachel!«, rief Kai. »Rachel!« Sie antwortete nicht.
Der Turm des Grand Hawaiian Hotels hatte der Wucht des Wassers nachgegeben. Im aufwirbelnden Staub verlor Kai seine Frau aus den Augen. Sie hatte keine Chance. Das Gebäude fiel mit einem donnernden Krachen ins Wasser, versank langsam im weißen Schaum. Dann war es verschwunden.
Kai sackte mit einem Stöhnen auf seinem Sitz zusammen. Lanis Entsetzensschreie nahm er kaum wahr. Er saß schockstarr da, sah sprachlos nach vorn durch das Fenster des Cockpits, als der Hubschrauber auf schnellstem Weg in die Richtung zurückflog, aus der er gekommen war.
In diesem Augenblick sah er das Gebäude, von dem sie soeben gerettet worden waren, in die Fluten stürzen.
52. Kapitel
12:22
15 Minuten bis zum Eintreffen der vierten Welle
Meine Frau ist tot, und alles ist meine Schuld. Diesen Gedanken wurde Kai nicht mehr los. Sie war tot. Dabei hätte er sie und auch die vielen anderen, die in den vergangenen Stunden gestorben waren, beschützen sollen. Er hatte nicht nur in seinem Beruf versagt, sondern auch als Mensch.
Sie war seine Frau gewesen, an seiner Schulter hatte sie sich ausgeweint, wenn ihr Arbeitstag zu anstrengend gewesen war. Bei ihm hatte sie Trost gesucht. Ihm oblag es, für ihre Sicherheit zu sorgen. Und sie hatte ihm gegenüber nicht anders empfunden, das wusste er.
Noch nie in
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