Todesflut: Thriller
eine Explosion stattgefunden hatte.
»Du bist verletzt, Jake. Wir holen dich hier raus.«
»Ich bin so müde.«
»Ich weiß, mein Junge, aber du musst wachbleiben.«
»So müde …«
Jake schloss die Augen, lehnte den Kopf zurück und wurde wieder bewusstlos.
»Jake!«, rief Tom. »Jake!« Er packte Teresa an der Schulter. »Tu was!«
Es ging Jake bereits zu schlecht. Sie legte rasch ihr Ohr an seine Brust und lauschte seinem flachen Atem. Der Metallsplitter hatte seine Lunge durchbohrt und eine Hauptschlagader getroffen. Wiederbelebung würde nicht helfen. Mit den richtigen Instrumenten hätte man vielleicht das Metall entfernen, die Blutung unter Kontrolle bringen und die kollabierte Lunge wieder entfalten können. Doch ohne diese Voraussetzungen war jeder Versuch zum Scheitern verurteilt.
Jake atmete gurgelnd, und Blut rann ihm aus den Mundwinkeln. Sein Körper zitterte einen Moment, dann war er still. Teresa wollte den Puls kontrollieren, fand aber keinen.
»Ich kann nichts mehr tun, Tom. Er ist tot.«
»Doch! Du kannst ihn wiederbeleben!«
»Tom, ich bin Ärztin …«
»Dann hilf ihm!«
»Das geht nicht. Seine Verletzungen waren zu schwer. Es tut mir so leid.«
Tom begann hemmungslos zu weinen. Teresa konnte ihn nur trösten.
»Ach ja, Junge«, sagte sie und nahm ihn in den Arm. Er legte seinen Kopf an ihre Schulter.
»Es ist meine Schuld. Ich habe seine Eltern überredet, dass er uns hier besuchen durfte. Er ist vor zwei Jahren von hier …« Wieder weinte er.
»Es ist nicht deine Schuld. Ich bin sicher, deine Mom und dein Dad sind stolz auf dich. Du hast das Leben von Lani und meiner Tochter gerettet. Du und auch Jake. Ihr seid echte Helden. Ich stehe tief in eurer Schuld.«
»Glaubst du, dass es meiner Mom und meinem Dad gut geht?«
Teresa wollte nichts versprechen, was sie nicht halten konnte, aber sie musste ihn beruhigen. Seine Eltern würden sich beim ersten Aufheulen der Sirenen in Sicherheit gebracht haben. Dann musste sie an ihre eigene Suche nach Mia denken und konnte nur noch hoffen, dass Toms Eltern nicht nach Waikiki gefahren waren, um ihren Sohn zu suchen.
»Ich bin sicher, dass es ihnen gut geht, auch wenn sie sich Sorgen um dich machen. Jetzt musst du alle deine Kräfte darauf konzentrieren, dass du sie wiedersehen willst. Schaffst du das?«
»Ich gebe mir Mühe. Was ist mit Jake? Lassen wir ihn einfach hier liegen?«
»Es geht nicht anders.« Sie konnten seine Leiche unmöglich mitnehmen. Sie hätte ihn gern zugedeckt, aber selbst dieses bescheidene Zeichen der Ehrfurcht vor den Toten würde der nächste Tsunami zunichtemachen, wenn er den Jungen in sein nasses Grab spülte.
Kai suchte im Flur nach etwas, mit dem er Brad und Mia befreien konnte, als Teresa und Tom im Treppenhaus auftauchten.
Toms Gesicht war gerötet und tränenverschmiert. Er stöhnte von Zeit zu Zeit leise auf, während er sich an Teresa lehnte, aber sein Arm baumelte nicht mehr nutzlos an seiner Seite.
Kai sah die Traurigkeit in Teresas Zügen.
»Jake?«, fragte er, obwohl er die schreckliche Antwort kannte.
Teresa schüttelte nur den Kopf.
Dadurch war die Situation unwiderruflich geworden. Jemand, den Kai kannte, war gestorben. Ein Junge von nur fünfzehn Jahren. Er konnte nichts dafür. Hätte er ihnen nicht so großzügig geholfen, hätte er sich in Sicherheit bringen können. Das Blut wich Kai aus dem Gesicht, und Schuldgefühle überkamen ihn. Er kämpfte dagegen an. Er musste sich auf seine nächste Aufgabe konzentrieren. Er musste seinen Bruder und Mia retten.
»Wie geht es ihr?«, fragte Teresa.
»Sie hält sich tapfer, aber sie hat Schmerzen. Kleinere Trümmer habe ich entfernen können, aber den Stahlträger konnte ich nicht bewegen. Die Axt reichte nicht als Hebel.«
»Vielleicht, wenn wir zu viert anpacken?«
Kai hatte seine Zweifel. »Er steckt fest.«
»Wir könnten es wenigstens versuchen.«
»Du hast recht. Versuchen wir es.«
»Ich packe mit an«, meldete sich da Tom. Er sah nicht danach aus, als hätte er noch viel Kraft, aber jedes bisschen würde helfen. Sie stellten sich an dem frei liegenden Teil des Trägers auf. Teresa und Lani auf der einen Seite, Tom und Kai auf der anderen.
»Auf drei«, sagte Kai.
Sie wuchteten mit aller Kraft, aber nach den vielen Anstrengungen, die sie schon hinter sich hatten, waren sie zu erschöpft. Der Träger rührte sich nicht. Sie unternahmen einen zweiten Versuch, es war sinnlos. Auf diese Weise würden sie Brad und Mia nicht befreien
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