Todesflut: Thriller
zitternd. »Lasst mich nicht allein.«
Rachel versuchte, den Jungen zu trösten. Er schien wieder zu den Eltern zurückgehen zu wollen, aber sie hielt ihn fest.
»Bleib, wo du bist, Wyatt!«, rief sein Vater. »Die Brücke ist nicht sicher.«
Wyatt brach in Tränen aus und ließ sich auf den Boden fallen. Seine Mutter weinte beim Anblick ihres verzweifelten Sohnes, setzte aber keinen Fuß auf die Brücke.
»Mein Mann arbeitet im Tsunami-Warnzentrum. Von ihm weiß ich, dass noch mehr Wellen kommen. Von gewaltiger Größe.«
»Vielleicht täuscht er sich …«
»Er täuscht sich nicht. Schauen Sie nach unten, wenn Sie mir nicht glauben. Auf Ihrem Dach kann kein Helikopter landen, Sie müssen sich entscheiden. Es ist Ihre letzte Chance. Den nächsten Tsunami übersteht die Brücke nicht.«
Bill und Paige berieten sich.
»Kommen sie?«, fragte Wyatt.
»Ich hoffe es, mein Junge.«
»Okay«, meldete sich nun Bill. »Paige kommt zuerst mit Hannah. Dann ich mit Ashley.« Er nahm seiner Frau die Fünfjährige ab, damit sie Hannah an die Hand nehmen konnte.
»Gut. Beeilen Sie sich. Wir haben nicht mehr viel Zeit.«
Paige machte es wie Rachel, sie überquerte vorsichtig die Brücke, ihre achtjährige Tochter an der Hand. Um die Frau nicht zu erschrecken, unterließ es Rachel, sie anzuspornen, auch wenn es sie dazu drängte. Die Überquerung ging viel zu langsam vor sich. Doch endlich hatten Paige und Hannah es ohne Zwischenfall geschafft.
Der Vater stellte seine kleine Tochter auf den Boden, sodass sie ihm von hinten die Arme um den Hals legen konnte. Dann nahm er sie huckepack und machte sich an die Überquerung der Brücke.
»Paige«, sagte Rachel. »Die Kinder sollten sich auf den Weg nach oben machen. Die nächste Welle ist angeblich fünfundvierzig Meter hoch. Wir müssen mindestens im fünfzehnten Stock sein, damit sie uns nicht erwischt.«
Die Frau war offensichtlich hin- und hergerissen. Sollte sie die Kinder allein nach oben schicken? Das schien ihr keine gute Lösung zu sein. Sie waren bereits vollkommen verängstigt, und sie allein loszuschicken, würde sie noch mehr durcheinanderbringen. Aber ihren Mann und ihre jüngste Tochter sich selbst überlassen, wollte sie auch nicht. Letzten Endes war es wichtiger, dass die beiden Kinder in Sicherheit waren.
»Würden Sie sie mitnehmen? Ich kann Bill und Ashley nicht ihrem Schicksal überlassen. Was, wenn etwas passiert?«
»Ich kann Sie verstehen«, sagte Rachel. »Ich habe auch eine Tochter. Ich würde dasselbe tun.«
Die Mutter umarmte ihre beiden Kinder.
»Denken Sie daran, dass uns nur noch wenige Minuten bleiben. Sie werden es sehen, wenn es so weit ist. Wir erwarten Sie im sechzehnten Stock.«
»Wenn wir uns nicht in zehn Minuten wiedersehen …« Sie brach ab.
»Ich kümmere mich um sie.«
»Danke.«
Rachel führte Wyatt und Hannah zum Treppenhaus.
»Wo gehen wir hin?«, fragte Hannah.
Rachel zwang sich zu einem Lächeln. »Wir gehen die Treppen hinauf, damit wir mit einem Helikopter fliegen können. Ist das nicht toll?«
Sie hielt die Tür zum Treppenhaus offen. Nur wenig Helligkeit drang von oben herab. Die Kinder zögerten, als sie das Dämmerlicht sahen. Zum Glück funktionierte die Notbeleuchtung ab dem achten Stock noch, sie wurde durch Akkus in den Lampen versorgt. In den tieferen Etagen waren alle Lampen durch Kurzschluss erloschen.
»Es sieht unheimlich aus«, sagte Wyatt.
»Das liegt an der Notbeleuchtung.«
»Kommen Mommy und Daddy nicht?«, fragte Hannah.
Ich weiß es nicht, dachte Rachel. Ich hoffe es, dachte sie, ich bete darum. Aber ich weiß es nicht.
»Aber ja doch, Süße«, antwortete Rachel zuversichtlich und begann die Treppe hinaufzusteigen, beide Kinder an der Hand. »Eure Eltern werden schon bald bei uns sein.«
39. Kapitel
11:41
6 Minuten bis zum Eintreffen der zweiten Welle
Kai war pessimistisch geworden. Selbst wenn sie sofort einen Wagenheber fänden und Brad und Mia befreien könnten, bliebe ihnen keine Zeit mehr, um in einem höheren Gebäude Zuflucht zu suchen. Die zweite Welle würde sie in dem zehnstöckigen Haus überraschen.
Beim Anblick des Tauchsportgeschäfts keimte plötzlich neue Hoffnung in ihm auf. Wenn er dort alles Nötige fände, hätten sie vielleicht doch noch eine Überlebenschance. Das hing natürlich entscheidend davon ab, ob das beschädigte Haus einem weiteren Tsunami überhaupt standhielt. Kai gab sich in diesem Punkt keinen Illusionen hin. Die einzige Alternative wäre jedoch
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