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Todesformel

Todesformel

Titel: Todesformel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Wyss
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dich auf. Fred verstand ja keinen Spaß. Bei der kleinsten Unachtsamkeit wurde er eklig, konnte so richtig ausfällig werden, gemein. Bei Felix strengte ich mich ihm zuliebe an, er hat so gern gewonnen. Näheres weiß ich kaum, hatte doch nicht Zeit, zum Fenster hinauszusehen, ob Fred gerade vorbeirase oder ob Felix immer noch am selben Loch herumwerkle. Ich führe jetzt seit zwölf Jahren den ›Halbmond‹. Natürlich reden die Leute dies und das. Ich gebe das eine und das andere Wort dazu. Doch ihr Vertrauen, das habe ich denn doch noch nicht in dem Sinn, dass jemand käme und mir einen Mord gestände. Das ist nicht die Art der Menschen von hier.«
    »Was jetzt, das Morden oder das Reden?«
    Uschi zeigt ein schniefendes Lächeln, atmet durch, fährt fort: »Diese Leute von ›Holsten‹ – von denen hat doch hier im ›Halbmond‹ noch keiner auch nur ein einziges Mal eine Tasse Kaffee getrunken. Das sagt doch alles. Sie fahren mit ihren Autos durch, grüßen kaum, kaufen in keinem der Dorfläden ein und kommen auch nie zu einer Gemeindeversammlung. Die leben eben wirklich ihre Wachzeit in der Stadt, arbeiten vielleicht sogar streng, verdienen auch viel Geld. Hier auf den ›Höhen‹ wollen sie nicht mit noch mehr Menschen sprechen, hierher kommen sie für die Ruhe.
    Natürlich redet man im Dorf über die Platen. Wenn die, die vorn stehen, näher wohnen, da weiß immer jemand noch etwas. Die Platen-Alts machen es klug, die wohnen an zwei Orten.«
    Jedenfalls gewählt hat Uschi die Politikerin nicht. Die hat schon in der Grundschule immer die Erste sein wollen, hatte harte spitze Ellenbogen. Die schlägt nach ihrem Vater, der hat ja sehr genau gewusst, was er wollte, als er als persönlicher Assistent der Charlotte Platen seine Karriere gestartet hat. Seit der Scheidung lebt er herrschaftlich in der Toskana, das Alter seiner Frau ist nicht sein Problem. Was man diesem Edward heute im Dorf noch nicht vergisst, ist, wie mit dem Kind aus erster Ehe umgesprungen wurde. Mit Meret Platen scheint man hier Mitleid gehabt zu haben und man war empört, als sie in ein teures Internat kam.
    Diese Frau Platen ist erst zurückgekommen, als der Stiefvater längst weg war. Sie hat die Orangerie umbauen lassen und wohnt seither dort. Sie ist aber etwas seltsam geblieben, rennt andauernd durch die Gegend. Wie man hört, kann sie richtige Wutanfälle kriegen. Sie ist ja auch nicht verheiratet. Man kann sie im Garten arbeiten sehen. Anscheinend arbeitet sie auch für die ›Delton Biotec‹. Erst neulich war eine Reportage über sie in der Illustrierten. Sie male jetzt auch Tierbilder für die Textilindustrie, Flöhe und Wanzen. Dort hieß es, sie sei wissenschaftliche Malerin.«
    »Ob das eine Familie sein soll, Chantal und Mattis Platen-Alt?« Uschi zuckt mit den Schultern. »Man kennt sie ja nicht. Sie haben auch keine Kinder. Sie wirken etwas inszeniert, immer nur Zucker. Doch wie viel Glück jemand erreicht, das sieht ein anderer nicht unbedingt, und – Reichtum ist dann doch wieder nicht zu verachten.«
     
    Als Sven und ich in meinem ›Jeep‹ auf dem Rückweg an der Abzweigung des schmalen Teerwegs, der nach ›Holsten‹ führt, vorbeifahren, sage ich es: »Beim Namen Mattis Platen-Alt läuft mir ein Schauder den Rücken hoch, richtig gruselig. In einem Faltblatt des Tierschutzvereins sah ich Bilder zu diesen grässlichen Tierversuchen, von denen vor einigen Jahren die Rede war, die in einer französischen Zweigstelle der ›Delton Biotec‹ wirklich durchgeführt wurden. In jenem Faltblatt stand in fetten Buchstaben, dass Mattis Platen-Alt von seiner Ausbildung her Veterinär ist. Das Wort ›Veterinär‹ war rot geschrieben.
    Das ist mir durch Mark und Bein gegangen. Die Firma hat damals geklagt und sich in Inseraten gewehrt, doch Mattis Platen-Alts Erststudium ist ›Veterinär‹. In diesem Zusammenhang tönt Veterinär schlimmer als Metzger. Die Tiere werden bewusst verletzt, man macht sie krank, schaut täglich, wie es schlimmer und schlimmer wird, irgendeinmal sind sie tot. Schon vor seiner Heirat war er Mitglied der Firmenleitung.«
    Vor uns rennt eine gescheckte Katze über die Straße, schmiegt sich in den Graben. Automatisch suche ich sie im Rückspiegel, irgendwo muss sie doch geblieben sein. Wieder rede ich: »Ich liebe Katzen, mehr noch als Hunde. Wohnten wir nur ein wenig auf dem Land, hätten wir neben Moshe und Fritzi noch mindestens eine Katze. Katzen fühlen, wenn Menschen Derartiges tun. Es ist, als

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