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Todesformel

Todesformel

Titel: Todesformel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verena Wyss
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nicht blicken. Ich lasse Noël jetzt nicht unbedingt gern allein im Haus. Es ist positiv, wenn er so spontan zu jemandem Sympathie entwickelt. Wir könnten anschließend bei Knut etwas essen.
    Vor der Einfahrt beschließen wir, den ›Jeep‹ hier an der Mauer in den Schatten eines der großen Nussbäume zu stellen, mit geöffneten Türen. So kann Noël sich frei bewegen. Wenn er will, kann er Fritzi im hohen Gras ›weiden‹ lassen.
    Das Gespräch mit Meret Platen bringt nichts. Sie gibt sich zugeknöpft, verschlossen. Es nützt nichts, wenn ich sage, ihr Schweigen erschwere die Aufklärung von Mordfällen.
    »Ich denke, im Augenblick benötige ich keine Anwältin mehr. Man kann mich weder in einen Mord noch in irgendetwas anderes verwickeln. Wenn ich erneut einen Anwalt benötigte, riefe ich Sie an.«
    Im Grunde genommen ist es der Rausschmiss. Was habe ich gesagt, das sie verletzt hat? Ich versuche, in ihrem Gesicht zu lesen, ruhig begegnet sie meinem Blick, ganz Maske, ganz Haltung. Irgendwo im Hintergrund steht etwas anderes, etwas, das sie sorgfältigst nicht zeigt. Ich schiebe es weg. Noël hat sie das Gefühl gegeben, sie liebe ihn, doch zu ihm war sie ausgesprochen nett, mich verjagt sie. Ich denke gar nicht daran, jetzt Noël ins Spiel zu bringen. Ich versuche es noch einmal, versuche einzubringen, was Sven erzählt hat. Sie will nichts wissen, steht auf, beendet das Gespräch. Unter der Tür bleibe ich stehen. Sie soll ruhig merken, dass sie mich beleidigt und verärgert hat: »Es war Alja Berken, die mich beredet hat, Sie zu vertreten, ich dränge mich niemandem auf. Ich denke, hier stimmt etwas nicht. Wenn Sie in krumme Geschäfte verwickelt sind, will ich Sie gar nicht vertreten. Wenn Sie in Gefahr wären, können Sie mich oder den Kommissar Dr. Dornbier jederzeit erreichen. Er ist zuverlässig.«
    Zu meiner Überraschung lächelt sie, belustigt und nett. »Ich gebe Ihnen recht, er ist außerdem ein schöner Mann. Man muss lange gehen, um einen Mann zu treffen, der gut und schön ist.«
    Das finde ich nun völlig daneben, eine ganz schiefe Konversation. Diese Damen haben doch nicht alle Tassen im Schrank! Verwirrt gebe ich ihr die Hand zum Abschied.
    Ich muss mich mit Sven besprechen. Es ist auf jeden Fall ein auffallendes Verhalten, sich in diesem Augenblick von seiner Anwältin zu trennen.
    In Gedanken vertieft gehe ich über den großen Vorplatz, Kopfsteinpflaster und Stöckelschuhe, trete bewusst auf die Steine, Stolpersteine, gehe über das gekieste Rondell. Kies ist für dünne Absätze noch schlimmer, bei jedem Schritt die Unsicherheit, ich könnte mit dem Absatz in einem Loch stecken geblieben sein. Ich stöckle die geteerte Einfahrt hinunter. Jetzt höre ich Noëls Schreien, laute Befehle einer Frauenstimme, Hundegebell, Hundegejaule. Ich nehme die blöden Schuhe in die Hand, renne. Was ich sehe, verstehe ich zunächst nicht. Frau Chantal Platen-Alt schlägt mit der Leine mit aller Kraft auf einen Hund ein, der winselnd im Gras ›Platz‹ macht. Mit der anderen Hand zerrt sie an etwas, das er in der Schnauze hält. Der andere Hund sitzt gehorsam daneben. Wo ist Noël? Ich laufe. Da ist Noël, im Auto, zwischen Hinter- und Vordersitz verkrochen, das Gesicht mit den Armen verdeckt. Noël zittert. Ich fasse nach seinen schmalen Schultern, suche ihn hochzuziehen, jetzt schlägt er gegen mich: »Geh weg!«, versteckt sein Gesicht. Ich rufe seinen Namen, umfasse ihn, ich bin es, Jenny, deine Mama. Er kommt hoch, klammert sich an mich, schluchzt, zittert. Ich schaue an ihm herunter, sein Knie blutet.
    »Noël, was ist los?« Ich setze ihn auf den Hintersitz, lege mein Jackett über seine Schultern. »Du wartest hier, ich rede mit der Frau, ich bin gleich wieder da, ich schließe die Autotüren, dir geschieht nichts.«
    Ich habe es gleich gesehen und sehe es jetzt, dass es so ist. Die berühmte Frau Chantal Platen-Alt steht da, die zwei Hunde hat sie angeleint neben sich platziert, zwei Meter vor ihnen im Gras liegen die blutigen Überreste des zerfetzten Fritzi, ein halber Fritzi. Frau Platen-Alt entschuldigt sich, mitfühlend, nett: »Die Hunde sind gute Hunde, sie können eine Ratte nicht von einem Meerschweinchen unterscheiden. Ich bin mit ihnen um die Ecke gekommen, sie laufen immer frei. Ich habe nicht gesehen, dass hinter dem Auto ein Kind mit einem Meerschweinchen spielt. Hier steht normalerweise auch kein Auto. Das Ganze ist mir ganz und gar nicht recht. Es war eine sehr hässliche Szene

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