Todesfracht
Minuten öffneten sich die landwärts gelegenen Tore des riesigen Schuppens. Kleine Diesellokomotiven erschienen mit einer sechs Meter dicken Scheibe Schiff im Schlepp. Dieses Segment strömte etwas Elegantes aus. Es wirkte fast wie eine künstlerische Skulptur und stammte aus der Nähe des Bugs, der zu dem unbekannten Schiff gehörte. Ein fahrbarer Kran hob den Abschnitt hoch, sobald die Lokomotiven das Ende der Gleise erreicht hatten. Dieses Stück war in der Mitte offen. Das Schiff, aus dem es stammte, verfügte über Frachträume statt über Kabinendecks. Höchstwahrscheinlich war es ein Stückgutfrachter oder ein Tanker.
»Sieht aus wie eine gigantische Brotmaschine«, stellte Max fest. »Ist auch eine dicke Scheibe Brot«, sagte Juan, während die riesige Stahlscheibe auf die Seite gelegt wurde, damit die Arbeiter den Verschrottungsprozess fortsetzen konnten.
Irgendetwas an seinem geistesabwesenden Tonfall weckte Hanleys Aufmerksamkeit. »Was geht in diesem unergründlichen Sumpf vor, den du so gern deinen Geist nennst?«
»Wir wissen, dass Singh beteiligt ist. Aber ich bin jetzt seit zwei Stunden hier oben, und der Betrieb sieht aus, als stünde er kurz vor der Stilllegung, abgesehen von dem, was innerhalb des Schuppens geschieht.«
»Wo diese Schiffssäge lärmt?«
»Hm-hm.« Juan studierte das Gebäude durch das Fernglas, das er sich von Max hatte geben lassen. »Ich möchte zu gern einen Blick hineinwerfen.«
»Was ist mit der
Maus?
«
»Sie wird irgendwann hier eintreffen. In der Zwischenzeit könnte es uns erheblich weiterhelfen, wenn wir wüssten, welches Schiff gerade auseinandergeschnitten wird.«
»Es könnte sein, dass es eins der Schiffe ist, die die Piraten entführten, ehe wir engagiert wurden, um sie daran zu hindern«, stimmte Hanley zu. »Möglicherweise haben sie es mit dem Schwimmdock hergebracht.«
Cabrillo sah seinen alten Freund an. »Das weiß ich nicht, solange ich nicht drin war.«
Eine von Max’ buschigen Augenbrauen zuckte hoch. »Nur du?«
»Es hat keinen Sinn, jemand anderen von der Mannschaft in Gefahr zu bringen. Ich gehe rein und bin schon wieder draußen, ehe sie überhaupt wissen, dass ich dort war.«
»Linda Ross hatte das Gleiche im Sinn, als sie und ihr Team die
Maus
enterten.«
»Sieh dir mal die seewärts gelegene Seite des Lagerhauses an.« Max ergriff das Fernglas und studierte den ausgedehnten Bau. »Worauf soll ich achten?«
»Das Gebäude steht auf Pfählen. Ich vermute, dass die stählernen Seitenwände nicht bis zum Meeresboden hinunterreichen, und selbst wenn es so wäre, dürfte das nicht für die Tore gelten.
Der beim Öffnen und Schließen zu überwindende Wasserdruck wäre viel zu groß.«
»Demnach hast du die Absicht, unter dem Tor durchzuschwimmen.«
»Sobald ich drin bin, sollte ich das Schiff identifizieren können. Das ganze Unternehmen dauert nicht länger als eine Stunde, und die meiste Zeit wird durch das Hin- und Herschwimmen verbraucht.«
Max blickte auf den gigantischen Schuppen hinaus und berechnete Erfolgsaussichten und Risiken. Er kam zu einem schnellen Ergebnis. »Benutz den Draeger Rebreather«, riet er, während ein Nebelhorn ertönte und das Ende des Arbeitstages an Land anzeigte. »Dadurch gibt es keine Blasenspur im Wasser, wenn du reingehst und wieder rauskommst.«
Eine Stunde nach Mitternacht befand sich Juan Cabrillo in der mittschiffs gelegenen Bootsgarage, vom Kopf bis zu den Füßen in einen Nasstauchanzug eingehüllt. Das Wasser, das den Karamita Yard umgab, war so warm wie Blut, aber er brauchte das dünne schwarze Neoprenmaterial als Tarnung, sobald er sein Ziel erreicht hätte. Er trug dicksohlige Tauchstiefel und hatte die Schwimmflossen auf der Bank neben sich bereitgelegt. Gerade untersuchte er das Draeger-Gerät. Im Gegensatz zu einem Unterwasseratmungsgerät, das einen Taucher bei jedem Atemzug mit frischer Luft versorgt, verfügte das in Deutschland hergestellte Kreislauftauchgerät über leistungsfähige Filter, um das Kohlendioxid zu eliminieren, wenn der Taucher in einem geschlossenen System ausatmete, das ihm längere Tauchzeiten gestattete, während es gleichzeitig keine verräterische Blasenspur erzeugte. In Tauchtiefen über zehn Metern wäre der Einsatz des Draeger gefährlich, daher hatte Juan die Absicht, dicht unter der Wasseroberfläche zu bleiben. In einem schlanken wasserdichten Etui, das unter seinen rechten Arm geschnallt war, führte er einen Minicomputer, eine Taschenlampe und eine
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