Todesfracht
einer unsicheren Position aus ein Ziel zu treffen, das auf einem aufgewühlten Ozean tanzte, war so gut wie unmöglich. Der Mann blickte noch nicht einmal auf und ging seiner Arbeit nach, während ihm die Kugeln um die Ohren pfiffen. Ein unsichtbarer Matrose schaltete den Kran ein. Weil das Krangerüst über das Heck des Trawlers hinausragte, wurde der große Container über das Deck der
Kra
gezogen und hinterließ tiefe Furchen im Holz der Decksbeplankung. Die Unterkante blieb an einem Poller hängen, doch die Trommel der Winsch drehte sich weiter. Der Container stellte sich auf, schwankte einen Moment lang in schräger Haltung, ehe er mit lautem Getöse auf die Seite kippte. Als er sich schließlich direkt unter dem Kran befand, wurde er in die Luft gehievt und über das Heckwerk geschwenkt. Der Mann an der Winsch löste die Arretierung, und der Container klatschte ins Meer, tanzte für einen kurzen Augenblick auf den Wellen und begann sich dann mit Wasser zu füllen.
Das Kabel rollte sich von der freidrehenden Trommel der Winsch ab, während sich die
Kra
immer weiter entfernte. Was auch immer der Trawler an Beute an Bord gehabt hatte, es befand sich zweifellos in dem Container, und Cabrillo dachte: Wenn sie sich beeilten, könnten sie das Fischerboot lahmlegen und das sich abwickelnde Seil stoppen, ehe der Container auf Nimmerwiedersehen verschwand.
Als hätte er seine Gedanken gelesen, löste Mark Murphy einen sekundenlangen Feuerstoß der Gatling aus, die im Bug der
Oregon
versteckt war. Fünfzig Urangeschosse bohrten sich in Höhe der Wasserlinie und dicht hinter dem Ruderhaus in den Rumpf der
Kra
. Murph hatte diesen Punkt gewählt, weil er, wie er annahm, weit genug von den Treibstofftanks entfernt war.
Die Tanks befanden sich auch tatsächlich ein gutes Stück hinter dem aufklaffenden Loch, doch die Kugeln erwischten das Waffenarsenal der Piraten. Die erste Explosion war noch relativ harmlos und begrenzt. Nur eine Feuerzunge leckte aus dem Riss, den die Gatling in den Rumpf gestanzt hatte. Die zweite Explosion drang bis zum Deck durch und sprengte ein drei mal drei Meter großes Stück aus dem Rumpf. Feuer und Qualm wälzten sich aus dem Trawler, während er sich auf die Seite legte, als hätte er soeben eine ganze Breitseite Kanonen abgefeuert. Hilflos musste Cabrillo zusehen, wie weitere Explosionen das Fischerboot auseinanderrissen. Es wirkte so, als wäre das Schiff von Spezialeffektexperten Hollywoods präpariert worden. Das Steuerhaus verschwand in einer Feuersäule, dann flog das Achterdeck in die Luft, als die Haupttanks detonierten und das Heck so tief ins Wasser gedrückt wurde, dass der Bug zum Himmel ragte. Geschosse und Schiffstrümmer prasselten auf die
Oregon
herab und zwangen Cabrillo, hinter der Reling in Deckung zu gehen. Die Heckwinsch des Trawlers flog über das Achterdeck des Frachters hinweg und zog ein Kabelgewirr hinter sich her, das im Mondlicht wie ein feines Spinnennetz aussah. Der Kiel der
Kra
barst an der Stelle, wo ihn die Explosionen zermürbt hatten. Der qualmende Bug sank ins Wasser zurück, während das Heck wegsackte, und dann richtete sich das Vorderteil des tödlich getroffenen Schiffes noch einmal auf, ehe auch dieses in die Tiefe gezogen wurde.
Die gesamte Folge der Ereignisse vom ersten Aufprall der 20-mm-Geschosse bis zum endgültigen zischenden Untergang dauerte ganze neunzehn Sekunden.
Juan richtete sich wieder auf, wischte dort einen Blutstropfen weg, wo ein heißer Stahlsplitter seinen Handrücken getroffen hatte. Eine weite Fläche des Meeres war mit qualmendem Treibgut übersät, kein Teil größer als ein Mülltonnendeckel. Das leise Prasseln des brennenden Öls auf den Wellen war das einzige Geräusch, sobald sich die Explosionswellen über den teilnahmslosen Fluten verlaufen hatten. Es gab kein Stöhnen der Verletzten, keine Schreie von Gestrandeten. Niemand hatte das Inferno überlebt.
Er blieb zehn Sekunden lang reglos stehen, vielleicht waren es auch dreißig Sekunden, ehe ihm bewusst wurde, dass durchaus Hoffnung bestand, doch noch teilweise zu retten, was sich zu einem Debakel entwickelt hatte. Das Kabel, an dem der Container der Piraten hing, lag quer auf dem Deck der
Oregon
und rutschte langsam in den Ozean, während der Container durch sein Gewicht in die Tiefe gezogen wurde.
»Ein paar Leute zum Achterdeck, um Ladung zu bergen«, bellte er ins Funkgerät. »Außerdem das Vorderdeck sichern und nach Überlebenden Ausschau halten.«
Er eilte
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