Todesfracht
Vertrauen«, fuhr er fort. »Ein Arbeiter reicht seinen Lohnscheck zur Gutschrift ein, verbraucht von diesem Geld, was er zum Leben benötigt, und vertraut darauf, dass die Bank den Rest für ihn aufbewahrt. Was mit diesem Geld danach geschieht, übersteigt offen gesagt sein Begriffsvermögen und interessiert ihn im Grunde auch gar nicht.
Er hat seine Leistung erbracht, indem er Arbeit in Kapital umgewandelt hat, und vertraut nun darauf, dass wir den Job, dieses Kapital zu maximieren, zu seiner Zufriedenheit erledigen. Wir verleihen es an Unternehmer, die neue Geschäftsbetriebe aufbauen, um weitere Arbeiter einzustellen, die wiederum mehr Arbeit in Kapital umwandeln. Es ist ein System, das seit Jahrhunderten bestens funktioniert hat.
Aber was geschieht, wenn dieses Vertrauen missbraucht wird? Sicher, in der Vergangenheit hat es immer wieder Bankenskandale gegeben. Was hingegen jetzt auf uns zukommt, ist eine Krise von unvorstellbarem Ausmaß. Die Einlagen an Kapital, die die Regierungen verwenden, um der jeweiligen Bevölkerung die Stärke ihrer Nation vor Augen zu führen, sind im Grunde für einen Schuldschein verkauft worden, der nicht länger bezahlt werden kann. Wir können unsere Zusagen nicht mehr einlösen. Selbst wenn wir über die Geldmittel verfügten, um das Gold, das wir geliehen haben, zusammenzukaufen und an die Zentralbanken zurückzuzahlen, gibt es davon auf der Welt doch bei Weitem nicht genug, um unsere Schulden abzudecken.«
»Die Produktion könnte gesteigert werden, um uns die nötige Zeit zu verschaffen, um einer Rückforderung nachzukommen.«
Dies kam aus dem Mund eines Engländers, der einen Anzug aus der Savile Row trug.
»Das kann sie nicht.« Die Antwort war knapp und barsch, ebenso wie der Mann, der sie gegeben hatte. Auch er hatte einen Akzent, ohne Zweifel englisch, aber mit einem kolonialen Einschlag.
»Mr. Bryce, würden Sie das bitte näher erläutern?«
Bryce erhob sich. Im Gegensatz zu den anderen hatte er einen braunen, wettergegerbten Teint, und seine blauen Augen versteckten sich hinter einem ständigen Blinzeln. Seine Hände waren groß, mit geschwollenen Knöcheln. Er war jemand, der gearbeitet hatte, um seinen Wohlstand zu erlangen. Er hatte auf eine Art und Weise geschuftet, wie die Bankiers es sich nicht vorstellen konnten.
»Ich wurde dazu bestimmt, an dieser Stelle die Bergbauinteressen Südafrikas zu vertreten«, erklärte Bryce. »Mr. Volkmann hat mich über das in Kenntnis gesetzt, was wir an dieser Stelle diskutieren würden, daher habe ich meine Leute vorher konsultiert, um Ihnen genaue Informationen liefern zu können. Im vergangenen Jahr produzierte Südafrika etwa dreitausendvierhundert Tonnen Gold zu einem Preis von etwa zweihundertachtzig Dollar pro Unze. Dieses Jahr haben wir uns die gleiche Menge als Ziel gesetzt, jedoch steigt der Produktionspreis auf dreihundertachtzehn Dollar. Seit Abschaffung der Apartheid und aufgrund der Macht der Gewerkschaften sind die Kosten gestiegen, und wir stehen unter heftigem Druck, einen neuen Tarifvertrag abzuschließen, der noch großzügiger ist.«
»Dann geben Sie den Forderungen nicht nach«, warf der Präsident der größten holländischen Bank ein.
Bryce bedachte ihn mit einem herablassenden Blick. »Der Bergbau ist kaum mit Fließbandarbeit zu vergleichen. Man braucht eine jahrelange Ausbildung und Erfahrung, um diese Tätigkeit zu beherrschen. Ein Streik zu diesem Zeitpunkt würde uns alle lähmen, und das wissen die Gewerkschaften. Sie sehen, dass Gold mit fast fünfhundert Dollar pro Unze gehandelt wird, und sie wissen genau, dass die Goldminen nicht mit Verlust arbeiten.«
»Kann die Produktion nicht gesteigert werden?«, fragte jemand anderer am Tisch.
»Unsere Minen sind mittlerweile zwei Meilen tief. Mit jeder Stufe, die wir weiter in die Tiefe vordringen, nehmen die Kosten um ein Vielfaches zu. Es ist genauso wie beim Bau eines Wolkenkratzers. Um ihn höher zu bauen, kann man nicht einfach oben ein weiteres Stockwerk draufsetzen. Erst muss man das Fundament und die gesamte Struktur verstärken. Man hat dafür zu sorgen, dass der Fahrstuhl dorthin kommt und dass die Wasser- und Abwasserleitungen den höheren Bedarf bewältigen können. Auf einen Wolkenkratzer ein Stockwerk aufzusetzen kostet, wie man von Architekten weiß, genauso viel, als würde man ein neues Stockwerk unter einem bereits existierenden Gebäude einfügen. Jede neue Förderebene, die wir in unseren tiefsten Gruben anlegen, kostet
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