Todesfracht
immerhin gut genug, um sich verständigen zu können.
Linda und ihr Teamgefährte drückten sich noch tiefer in den Schatten des Ventilatorgehäuses und ließen die Wächter vorbeigehen. Sie waren ziemlich forsch unterwegs, wobei ihre Blicke den Strahlen der Taschenlampen folgten, die jeder in der linken Hand hielt, sodass die rechte jeweils für die gefährlich wirkende kleine Maschinenpistole frei blieb. Alle paar Schritte beugten sie sich über die Reling, um einen Blick auf den Rumpf des Trockendocks zu werfen, dann ließen sie die Lichtkegel über die schwarze Abdeckung gleiten, die das Innenbecken verhüllte.
Ihnen schien nichts zu entgehen, daher war es nur eine Frage der Zeit, bis sie das Zodiac entdecken würden, das an der Seite des riesigen Schwimmkörpers baumelte.
Sobald sich die Wächter außer Hörweite befanden, flüsterte Linda in ihr Kehlkopfmikrofon: »Team zwei, ein Wächterpaar ist soeben aufgetaucht und bewegt sich in eure Richtung.«
»Verstanden.«
Lindas Anweisungen liefen darauf hinaus, dass kein Hinweis hinterlassen werden durfte, sie oder ihre Männer seien an Bord der
Maus
gelangt. Dazu durfte es nicht kommen. Sie ging in Gedanken verschiedene Möglichkeiten durch und entschied, dass es nur einen Weg gab. Sie hatte Zigarettenrauch wahrgenommen, als die Tür des Blockhauses geöffnet worden war. Sie konnte nur hoffen, dass einer der Wächter, die soeben ihren Rundgang machten, Raucher war.
»Etwa drei Meter hinter der Stelle, wo wir das Zodiac aufgehängt haben, befindet sich ein Entlüftungsschacht für den Ballasttank«, gab sie an ihr Team durch. »Wir schnappen sie uns dort.«
»Roger.«
»Keine Pistolen.«
Anstatt auf ihrem Weg um den Bug herum zurückzukehren, wagten Linda und der Pilot des Zodiac, die Abdeckung zu überqueren. Das Material war so stabil und straff gespannt, dass ihr Gewicht nicht mehr als seichte Eindrücke um ihre Schuhe herum erzeugte. Dabei bemerkte sie auch, dass die gesamte Abdeckung aus etwa sechs Meter breiten Streifen bestand, die durch Draht, der durch eigens dafür vorgesehene Ösen gefädelt worden war, miteinander verknüpft waren. Man hatte offenbar sorgfältige Überlegungen und viel Zeit darauf verwendet zu verstecken, was sich im Schleusenbecken der
Maus
befand. Sobald sie die andere Seite erreicht hatten, trafen sie mit den beiden anderen Mitgliedern des Aufklärungstrupps im Schutz des Ventilators zusammen, den sie zuvor schon ausgemacht hatten. Durch diese Ventilatoren und Entlüftungsschächte strömte Luft aus, wenn die Ballasttanks des Schwimmkörpers geflutet wurden, damit er absank und ein Schiff hereingezogen werden konnte. Wenn das Schiff dann angehoben wurde, pressten Pumpen innerhalb des Trockendocks das Ballastwasser durch Düsen aus, die rund um den Schwimmkörper angeordnet waren.
Sie verfolgten den Weg der Wächter um das Schwimmdock anhand der Lichtkegel ihrer Taschenlampen. Es schien eine Ewigkeit zu dauern. Sobald sie das Heck überquert hatten und auf die Steuerbordseite der
Maus
gelangten, führte sie ihr Weg direkt in den Hinterhalt. Sie mussten noch knapp hundertdreißig Meter zurücklegen. Das Team wartete. Lindas Mund war plötzlich ausgetrocknet, und sie brachte es nicht fertig, ihre Lippen mit der Zunge anzufeuchten.
Sie glaubte das Adrenalin – ihr eigenes wie auch das ihrer Männer – riechen zu können, während sich die Wächter näherten. Die Luft schien damit aufgeladen zu sein. Die Männer waren vielleicht noch zehn Meter entfernt, als einer stehen blieb und seinem Partner auf die Schulter klopfte. Die Männer unterhielten sich kurz, kicherten leise, dann drehte sich einer zur Reling und knöpfte seinen Hosenstall auf. Er beugte sich leicht über die Reling, um den Strahl seines Urins zu verfolgen.
Das hätte nicht geschehen dürfen. Sie befanden sich auf einem fahrenden Schiff auf hoher See. Der Fahrtwind hätte den Urinstrahl nach achtern blasen müssen. Aber das Trockendock war nur mit wenigen Knoten unterwegs und hatte außerdem einen Rückenwind von acht bis zehn Knoten. Um seinen Urin ins Meer rieseln zu sehen, musste der Wachmann daher in Richtung Bug schauen.
Der Wächter zuckte erschrocken zurück, wobei er sich beinahe selbst benetzte. »Nikoli!« Er hatte das Zodiac entdeckt.
Linda und ihr Team hatten weniger als zwei Sekunden Zeit, ehe Alarm geschlagen wurde.
Der Wächter namens Nikoli hielt sich noch nicht einmal damit auf, über die Reling zu blicken. Er löschte seine Taschenlampe,
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