Todesfracht
welche Informationen benötigt wurden. Sie konnte schon während ihrer Einsätze Bewertungen vornehmen und erkennen, was jeweils wichtig war und was nicht. Allein damit hatte sie sich den Respekt der SEALS, die sie anführen sollte, mehr als verdient. »Bestell Juan, dass wir uns in Acht nehmen«, sagte sie zu Max und ging hinaus, um auf der Steuerbordseite zu einem Tor in Höhe der Wasserlinie hinunterzusteigen, von wo aus ein Zodiac-Schlauchboot zu Wasser gelassen werden sollte.
Drei Angehörige des Kommandotrupps erwarteten sie bereits in der Aqua-Garage. Sie waren ähnlich ausgerüstet, einer reichte Linda ein Kampfgeschirr. Sie sah nach, ob die mit Schalldämpfer ausgestattete Glock, die sie bei solchen Einsätzen bevorzugte, geladen war. Ihr gefiel, dass diese Pistole keine Sicherung hatte, die bei einem schnellen Ziehen unabsichtlich aktiviert werden konnte. Weil es sich um eine reine Aufklärungsmission handelte – anschleichen, Informationen sammeln und unbemerkt wieder verschwinden – und sie bezweifelten, dass auf einem Schiff, das sich im Schlepp befand, Wachen postiert waren –, hatte keiner der Mitglieder des Trupps etwas Schwereres als eine Pistole bei sich. Allerdings waren diese mit speziellen mit Quecksilber gefüllten Hohlspitzgeschossen geladen, von denen jedes genügend kinetische Energie entfaltete, um einen beliebigen Gegner auch mit einem Streifschuss kampfunfähig zu machen. Sie befestigte das Kehlkopfmikrofon ihres Funkgeräts auf der Haut und klemmte den Ohrhörer fest. Anschließend führten sie und das Team einen kurzen Test durch und vergewisserten sich, dass sie einander – und Max im Kontrollzentrum – deutlich hören konnten.
Die Garage wurde von roten Tarnlampen erhellt, und in ihrem matten Schein schmierte sich Linda Tarnfarbe ins Gesicht, ehe sie sich hautenge reflexfreie Handschuhe überstreifte. Das Zodiac war für acht Personen groß genug und wurde von einem großen schwarzen Außenbordmotor angetrieben. Neben dem Viertaktmotor befand sich ein kleiner batteriebetriebener Hilfsmotor, der das Zodiac auf immerhin zehn Knoten Geschwindigkeit bringen konnte. Einige Gegenstände, die sie brauchen würden, waren auf den Bodenbrettern befestigt worden. Ein Frachtmeister überprüfte jeden Angehörigen des Trupps, ehe er Linda mit dem Daumen das Okay-Zeichen gab. Sie zwinkerte ihm zu, und der Matrose löschte die Beleuchtung. Mittels eines Seilzugsystems wurde die Außentür geöffnet, ein etwa drei Meter fünfzig mal zwei Meter sechzig großes Tor im Rumpf dicht oberhalb der Wasserlinie. Das Rauschen des Wassers erfüllte die Garage, Linda konnte das Salz in der Luft schmecken.
Es gab praktisch kein Mondlicht, und die
Maus
war ein massiger Schemen in der Dunkelheit. Ihr Vorderteil wurde von Scheinwerfern auf den Schleppern beleuchtet, und auf ihrem Oberdeck ließen Natriumdampflampen ihre Silhouette klar erkennen.
Der Lenker des Zodiac startete den Motor mit einem Knopfdruck, und von jeweils zwei Personen auf beiden Seiten dirigiert, schob das Team das Schlauchboot eine mit Teflon geschichtete Rampe hinunter und sprang an Bord, sobald der Bug ins Wasser eintauchte. Sie schossen in einer Schaumwolke von der
Oregon
weg, um den Wasserturbulenzen am Rumpf des dahinstampfenden Trampdampfers zu entkommen, ehe der Motor so weit gedrosselt wurde, dass eine eigene Kiellinie vermieden werden konnte.
Der Abstand zwischen beiden Schiffen erschien lächerlich gering, wenn man ihn durch die an Deck der
Oregon
installierten Kameras betrachtete. Doch nun, in diesem Wassergraben zwischen den Schiffen, erschien die Distanz riesengroß. Es herrschte nur geringer Seegang, die Wellen waren ziemlich flach, und das Schlauchboot huschte in einem gleichmäßigen Rhythmus über die Wogen, glitt auf der einen Seite hoch, bis es für einen winzigen Moment schwerelos erschien und dann ins Wellental hinuntertauchte. Obwohl optimal schallgedämpft, empfanden Lindas Ohren den Außenbordmotor als entsetzlich laut, auch wenn sie wusste, dass das Boot, obwohl es mit Höchstgeschwindigkeit durchs Wasser preschte, in einer Meile Entfernung nicht gehört werden konnte. Fünf Minuten nach dem Start von der
Oregon
hatten sie drei Viertel ihres Weges hinter sich gebracht. Der Pilot schaltete den Außenbordmotor aus und aktivierte den lautlosen Elektromotor.
Auf Lindas Geheiß umrundete er das Heck der
Maus
, um einen ausreichend dunklen Bereich zu suchen, in dem der Schwimmkörper unbemerkt geentert werden
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