Todesfrauen
wollen.«
Sina sah sich misstrauisch um. Dann rückte sie sehr nahe an Gabriele heran und flüsterte: »Nur für den Fall, dass hier Wanzen versteckt sind: Mal ganz unter uns – was für Informationen hast du denn?«
»Das weiß ich selbst noch nicht genau«, antwortete Gabriele genauso leise. »Aber wenn wir dem Kopf der Bande erst mal gegenüberstehen, wissen wir hoffentlich endlich, woran wir sind und mit wem wir es zu tun haben.«
»Du willst also bluffen?«
»Ja, Sina, genau das habe ich vor.«
19
Eduard Diehl war extrem genervt. Im aktuellen Mordfall kam die SOKO Klaus keinen Schritt weiter, da die Fahndung nach dem Hauptverdächtigen ins Leere lief. Weder Straßenkontrollen noch die Überwachung des Bahnhofs und des Flughafens hatten zu einem Ergebnis geführt. Der potenzielle Täter schien sich buchstäblich in Luft aufgelöst zu haben. Weitere Energie konnte Diehl auf den Fall wegen der Vorbereitungen auf den Staatsbesuch ohnehin nicht aufwenden. Für ihn persönlich erschwerend kam hinzu, dass der gestrige Tag verstrichen war, ohne dass sich Gabriele gemeldet hatte. Auch von ihrem fadenscheinigen Bruder hatte Diehl nichts mehr gehört.
Als wären der Stress und die Sorgen, die ihn beutelten, nicht schon mehr als genug, musste er sich jetzt auch noch mit einem Kommissar aus dem Dezernat für Kleinkriminalität herumschlagen: Kollege Kleinhans meinte nämlich, ihn unbedingt sprechen zu müssen. Wegen einer Marginalie: Ladendiebstahl.
Seinen zweiten Tag als erfolgreicher Geschäftsmann begann Friedhelm, der sich heute besonders in Schale geschmissen hatte, damit, dass er das Lager entrümpelte. Jedes einigermaßen ansehnliche Stück wurde aus der Versenkung geholt, abgestaubt und in die Nähe des Schaufensters gerückt. Nachdem das geschafft war, setzte Friedhelm seinen gnadenlosen Preiskampf fort. Schon am Abend zuvor hatte er sich etwas Neues ausgedacht, das er von den großen Hi-Fi-Märkten abgeguckt hatte: Er wollte eine Aktion starten! Zwei Antiquitäten zum Preis von einer. Oder besser noch: Jeder dritte Kunde zahlt nur die Hälfte. Oder noch besser: 50 Prozent Rabatt auf alles!
Friedhelm strahlte über beide Wangen. Endlich vertrieb er den Muff aus dem Laden, der viel zu lange von Gabrieles eigenbrötlerischer Art geprägt gewesen war.
»Machen Sie es kurz, Kleinhans«, kehrte Diehl den Chef heraus. »Warum halten Sie einen gewöhnlichen Ladendiebstahl für so wichtig, dass Sie mich damit behelligen?«
Kleinhans, ein Mann von gedrungener Statur, mit blassen Pausbacken und schütterem blonden Haar, wirkte eingeschüchtert. »Ich weiß, dass Sie viel um die Ohren haben, Herr Hauptkommissar. Aber ich meine, Sie sollten sich anhören, was der Ladendieb zu sagen hat. Ein Kaufhausdetektiv hat ihn geschnappt, als er eine CD mitgehen lassen wollte. Ein junger Mann, mehrfach vorbestraft wegen ähnlicher geringfügiger Delikte.«
»Ja, und?« Diehl riss allmählich der Geduldsfaden. »Kommen Sie bitte auf den Punkt, Kollege.«
»Er hat sofort gestanden und nicht eine der üblichen Ausreden benutzt. Ja, er hat uns alles erzählt und wollte gar nicht aufhören zu reden. Bei der ein oder anderen Sache, die er erzählte, habe ich aufgehorcht. Kurz und gut: Dieser Ladendieb weiß vielleicht etwas, das Sie interessieren dürfte.«
Diehl sah seinen deutlich kleineren Kollegen eindringend an: »Zur Sache, bitte!«
Kleinhans beeilte sich nun zu erklären: »Er erwähnte zwei Namen, die mir vage bekannt vorkommen. Ich habe sie später im Computer eingegeben, was mich auf einen Fall brachte, den Sie im letzten Jahr bearbeitet hatten.«
»Welche Namen?« Diehl wurde es plötzlich ganz warm um die Brust.
Kleinhans faltete einen Notizzettel auseinander und las vor: »Doberstein, Gabriele und Rubov, Sina.«
Diehl pfiff durch eine schmale Lücke zwischen seinen Schneidezähnen. »Wie heißt dieser Ladendieb? Haben Sie ihn noch in Gewahrsam?«
Kleinhans nickte dienstbeflissen. »Ja, wir haben ihn hier behalten. Wegen seiner Vorstrafen war das gar kein Thema – ich hatte sogar den Eindruck, als wäre er froh, dass wir ihn gefasst haben. Er nennt sich Vladi.«
Es dauerte nicht lange, bis die ersten Kunden den Laden betraten. Oder vielmehr: stürmten. Offensichtlich hatte es sich seit gestern herumgesprochen, dass bei Antiquitäten Doberstein die Preise kräftig gesenkt worden waren. Strahlend empfing Friedhelm die Kundschaft.
Sein Strahlen büßte allerdings ein wenig an Glanz ein, als ein
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