Todesfrauen
eiliger Geschäftsmann auf, der einen beiläufigen Blick ins Fenster warf, mitten im Schritt stehen blieb und sich verwundert die Augen rieb. Er und die beiden Omas betraten nahezu gleichzeitig das Antiquitätengeschäft.
»Die Silberbrosche aus Ihrer Auslage, die nehme ich!«, sagte der Mann und fügte fordernd hinzu: »Und auch alles andere aus Silber, wenn Sie mir einen guten Preis machen.«
»Das Alpenpanorama holen Sie bitte für mich aus dem Fenster«, sagte eine der beiden Damen.
»Und für mich das Pillendöschen aus Porzellan«, beeilte sich die andere, ihre Bestellung aufzugeben. »Die kleine Vase mit der Emaillerose bekomme ich auch. Mit der liebäugele ich schon lange.«
Friedhelm raffte alles zusammen, umwickelte es mit Packpapier und kassierte mit breitem Grinsen ab. Die Hälfte der Einnahmen legte er in Gabrieles altertümliche Registrierkasse, jeden zweiten Geldschein aber ließ er in seiner Hosentasche verschwinden.
Als Nächstes betrat ein junges Ehepaar den Laden, das sich für einen Bauernschrank interessierte. Friedhelm hatte beim Preisschild eine Null weggestrichen und ihn damit von 2.500 auf 250 Mark reduziert.
»Wir möchten ihn gleich zahlen und holen ihn dann heute Nachmittag mit einem Transporter ab«, sagte der Mann.
»Gern«, antwortete Friedhelm und hielt die Hand auf.
Wie geplant hörte sich Vladi durch die CD, ließ den einen oder anderen Song überspringen und sich die Startnummer ein zweites Mal vorspielen. Dann verzog er den Mund, nuschelte »Nee, ist nicht mein Ding« und wartete ab, bis ihm der Typ am Musiktresen die CD zurückgab.
Vladi schlenderte zum Regal, klapperte die CDs durch und deutete mit einem Handgriff an, dass er die Kravitz-Scheibe dorthin stellte, von wo er sie zuvor entnommen hatte. In Wirklichkeit schnellte die CD mit flinker Geste nach unten und fand ihren Weg unter Vladis Pulli.
Noch eine Weile drückte er sich um die Regale herum, bis er scheinbar gelangweilt die Abteilung verließ. Auf der Rolltreppe schlich sich ein Grinsen in sein Gesicht, während er sich über sein gelungenes Diebeswerk freute. Im Erdgeschoss suchte er die Toilette auf, schloss sich in einer Kabine ein und entfernte mit seinem Taschenmesser den Metallstreifen, der beim Verlassen des Geschäfts einen Alarm auslösen und ihn damit als Dieb entlarven würde.
Guter Dinge schlurfte er noch durch die Parfümabteilung, benetzte seine Schläfen mit einem herben Herrenduft aus einem Probespender und bummelte schließlich zum Ausgang. Er war fast draußen, als sich eine Hand auf seine Schulter legte. Erschreckt zuckte Vladi zusammen.
18
Die Erkenntnis, sich in einem seitlich geneigten Zimmer zu befinden, einer ›gekippten Welt‹, wie Sina es genannt hatte, veränderte die Situation der beiden nicht zum Besseren. Denn die Auswirkungen der Sinnestäuschung konnten sie auch mit dem Wissen über ihre Lage nicht abmildern. Nach den Stunden des Ausharrens und Wartens kamen nun Durst und Hungergefühle hinzu.
Als Sinas Magen unüberhörbar knurrte, stellte Gabriele die Frage in den Raum, ob man sie hier einfach ihrem Schicksal überlassen würde.
»Tja«, gab Sina niedergeschlagen von sich. »Sieht nicht so aus, als würde uns heute noch jemand ein Drei-Gänge-Menü servieren.«
»Ein Hamburger und eine Portion Pommes würden es vorerst tun«, gab sich Gabriele genügsam.
Dann schwiegen beide Frauen und hingen ihren eigenen, wenig erfreulichen Gedanken nach. Während sich Gabriele an den dünnen Strohhalm klammerte, dass Friedhelm es fertigbrächte, ihnen zu helfen, mutmaßte Sina über die Hintergründe ihrer Entführung. Sie dachte über den Raum nach und zog Parallelen zu dem Fernsehbeitrag über die CIA, in dem sie erstmals von gekippten Welten erfahren hatte. Zum Zeitpunkt des Überfalls auf sie hatten sie sich ja auf amerikanischem Hoheitsgebiet aufgehalten. Konnte sie daraus ableiten, dass sie entgegen ihrer ersten Annahmen noch immer auf dem Truppenübungsplatz festgehalten wurden? In einer Einrichtung der CIA? Aber wie passten die Männer rund um den irischen Bauern dazu? Das waren bestimmt keine US-Agenten!
»Zerbrich dir nicht den Kopf, Kleines«, beendete Gabriele das Schweigen. »Wir kriegen sowieso nicht heraus, warum wir hier gefangen gehalten werden. Jedenfalls nicht ohne einen Hinweis.« Betrübt fügte sie hinzu: »Vielleicht sollen wir es auch gar nicht erfahren.«
»Trotzdem glaube ich nicht, dass die uns einfach unserem Schicksal überlassen«, begehrte
Weitere Kostenlose Bücher