Todesfrauen
zweite Schritt. Denn wenn du recht hast und das alles hier Methode hat, dann war unsere angedeutete Erschießung der Beginn: Eine Scheinexekution gilt ja ebenfalls als bewährte Psychofolter.«
Voll banger Erwartung dachte sie daran, was noch auf sie zukommen würde.
17
Manche seiner Freunde sagten Vladi eine gewisse moralische Flexibilität nach, was sie zumeist auf seine diversen Weibergeschichten bezogen. Denn Vladi konnte zwar ungeheuer charmant und gewinnend sein, wenn es darum ging, ein Mädchenherz zu erweichen. Ebenso gab er sich jedoch kalt und skrupellos, wenn er eine Dame wieder loswerden wollte. Auch wenn es ums Geldverdienen ging, war Vladi ja nicht gerade ein Vorbild an Redlichkeit. Doch – und darauf legte er Wert – er betrachtete sich im tiefsten Inneren als einen gewissenhaften Menschen. Niemals würde er willentlich jemandem anderen Schaden zufügen. Zumindest keinen schweren.
Deshalb ließ seine Wut auf Spencer und die ausgebliebene Zahlung allmählich nach. Stattdessen keimte die Sorge um das Verbleiben des Amis auf, die sich mit seinem schlechten Gewissen gegenüber den beiden, von ihm hinters Licht geführten Frauen vermischte. Alles in allem fühlte er sich zunehmend mies und wusste nicht so recht, was er mit seinen Skrupeln anfangen sollte.
Wenn er die drückenden Gedanken loswerden wollte, dann am besten dadurch, dass er sich jemandem anvertraute. Möglichst jemandem, der helfen konnte. Aber wer sollte das sein? Seine Kumpels konnte er in dieser Beziehung vergessen. Was sollten sie denn tun, was er nicht selbst machen könnte?
Vladi brauchte noch mehr Zeit zum Nachdenken. Damit die Grübelei nicht gar zu eintönig wurde, würde er sich die Zeit mit den neuen Kravitz-Songs versüßen. Weil ihm für die CD aber nach wie vor das Bargeld fehlte, müsste er die Scheibe notgedrungen stehlen. So etwas tat er nicht gern und nur in Notlagen. Dies war eine Notlage, befand er und machte sich auf den Weg zum Kaufhof.
Die gefalteten Papiertafeln, auf denen die Preise der Exponate mit schwungvoller Schrift aufgetragen worden waren, tauschte Friedhelm kurzerhand gegen schlampig angefertigte neue aus. Der Unterschied zu Gabrieles Varianten bestand nicht nur in der Form, sondern vor allem in der Preisgestaltung. Friedhelm hatte sich zu einem vorübergehenden Ausverkauf entschieden, was sich durch heftige Preisstürze bemerkbar machte. Sein Kalkül: Er würde Gabrieles Abwesenheit nutzen, um etliche der alten Ladenhüter an den Mann zu bringen und damit die Kasse klingeln zu lassen. Damit würde er seiner Schwester, die seiner Meinung nach eine miserable Geschäftsfrau war, auf die Sprünge helfen. Denn ein Großteil ihrer Waren blieb viel zu lange in ihrem Bestand und bildete damit totes Kapital.
Wenn es Friedhelm gelänge, wenigstens die Hälfte dieser Staubfänger an den Mann zu bringen, würde das nicht nur einen Batzen Geld einbringen, sondern auch Platz für neue, lukrativere Ware schaffen.
Ja, dachte Friedhelm, am Ende würde seine Schwester ihm wahrscheinlich sogar dankbar sein. Mit sich und seinen Plänen zufrieden wartete er auf den Ansturm der Kunden.
Im Kaufhof benutzte Vladi die Rolltreppe, um in die Multimediaabteilung zu kommen. Wieder trug er seinen Kapuzenpulli, zusätzlich hatte er sich mit einer großen Sonnenbrille getarnt.
Zwischen den CD-Regalen hielten sich heute weniger Kunden auf als sonst. Vladi konnte sich nicht wie geplant unter einen Pulk Jugendlicher schmuggeln und den Trubel ausnutzen, um die CD einzustecken. Er würde umsichtig vorgehen müssen und abwarten, bis Kassierer und Verkäufer abgelenkt waren.
Da er aber auch die nächsten Minuten nahezu der einzige Kunde blieb, war es ihm unmöglich, die CD unbemerkt verschwinden zu lassen. Er legte sich also einen neuen Plan zurecht: Er würde die neue Kravitz für jeden sichtbar aus dem Regal nehmen, damit zur Hörbar gehen und sie sich auflegen lassen. Dann würde er eine Weile den Songs lauschen, abfällig den Kopf schütteln und sagen, dass er die CD zurück ins Regal stellen wollte. Dort würde sie aber nie ankommen, sondern auf dem Weg dorthin unter seinem Sweatshirt verschwinden.
Die ersten Neugierigen blieben schon nach kurzer Zeit vor dem Schaufenster stehen: Zwei ältere Damen, die ihre Zwergpinscher Gassi führten, sahen sich interessiert die umgestaltete Auslage an, stutzten ganz offensichtlich beim Entziffern der Preise und begannen eine gestenreiche Diskussion. Als Nächstes tauchte ein
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