Todesfrist
von deinem Gutachten über Winkler und deinen Bemühungen, ihn zu überführen.«
»Bestimmt«, murmelte sie. »Aber nach Florians Tod hatte Ben seine eigenen Probleme, und ich konnte ihm nicht helfen.« Sie wollte nicht schon wieder an Flo denken. Der Gedanke an ihn brach ihr das Herz.
Frank kaute an der Unterlippe. »Meinst du, er gibt dir die Schuld am Tod der fünf Kinder?«
Das war die entscheidende Frage. »Ich weiß es nicht.«
Zu jener Zeit hatte sie Staatsanwalt Frank Berger kennengelernt. Schon damals glaubte er an ihre Unschuld, da er Staatsanwältin Johanna Winkler – seine Kollegin, die in den Fall involviert war – nur zu gut kannte. Daher vermittelte er ihr einen befreundeten,
ausgezeichneten Rechtsanwalt, der sie in dieser Sache vertrat und von jeder Schuld reinwaschen konnte. Gemeinsam ließen sie die Vertuschungsaffäre von Kripo und Staatsanwaltschaft hochgehen. Dennoch war Helens Ruf besudelt. Damals brauchte sie jemanden zum Reden, und Frank war immer für sie da. Ein Jahr später waren sie verheiratet – und zwischen ihr und Ben war so Vieles unausgesprochen geblieben.
Frank strich ihr über die Wange. »Sonst noch was?«
Liebend gern hätte sie ihn nach dem Rubinring, den Kondomen in seiner Aktentasche oder dem Schlüsselbund in der Schreibtischschublade gefragt. Aber so lange sie an seiner Ehrlichkeit zweifelte, würde sie ihm nichts von dem Anruf erzählen. Sie schüttelte den Kopf.
»Okay, Kleines, ich geh mit dem Hund raus.« Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
»Danke.«
»Hund, komm! Du kriegst zu fressen, dann gehen wir böse Katzen jagen.«
Dusty sprang auf und folgte Frank. Der Jack-Russell-Terrier war ihr Hund. Vielleicht war das der Grund, warum Frank ihn nie »Dusty«, sondern bloß »Hund« nannte. Aber Helen war froh, dass er Dusty manchmal an der Leine mitnahm, wenn er auf dem Forstweg in den Kiefernwald spazierte, um abends in Ruhe eine Zigarre zu rauchen.
Als die beiden endlich das Wohnzimmer verlassen hatten, zog sie die Kreditkartenabrechnung unter dem Kissen hervor. Die Ecken waren zerrissen und von Dustys Schnauze feucht.
Sie überflog die Monate Januar und Februar. Im März wurde sie fündig. Am 6.3. hatte Frank etwas für 469,- Euro gekauft. Ihr wurde kalt ums Herz. Der entsprechende Rechnungstext hieß Juwelier Breinschmied. Sie hatte noch nie von diesem Laden gehört. Plötzlich fühlte sie sich unendlich einsam. In Gedanken sah sie Juwelier Breinschmied einen Rubin in einen Ring fassen und eine persönliche Widmung in die Innenseite gravieren.
Für Anne – von Frank.
Warum sollte ihr Mann einer wildfremden, schüchternen, unscheinbaren grauen Maus wohl ein teures Schmuckstück mit einer persönlichen Gravur schenken?
Weil er sie liebt, Dummchen!
12
Sabine saß in Monikas Wohnung. Kerstin, Connie und Fiona waren bei einer Freundin im unteren Stockwerk. Die Abendausgabe der Süddeutschen Zeitung mit dem Foto vom Münchner Dom lag auf dem Wohnzimmertisch. Daneben Sabines Walther PPK.
Monikas Augen waren gerötet. »Woher willst du wissen, dass Vater es nicht gewesen ist?«
»Moni, ich bitte dich!« Sabine sprang auf und lief durch den Raum. »Vater könnte keiner Fliege etwas zuleide tun.«
»Sagst du, sein Lieblingskind! Er hat Mutter gehasst. Nicht nur einmal hat er damit gedroht, ihr den Hals umzudrehen.«
»Sie hat Vater nach einem heftigen Streit verlassen, ihm die Kinder weggenommen, ihm verboten, uns zu besuchen, und ihn ausgenommen wie eine Weihnachtsgans«, zählte Sabine an den Fingern auf. »Wer würde nicht so daherreden?«
»Und es auch tun!«
»Aber doch nicht zehn Jahre später.«
»Angeblich hat er sie betrogen!«, rief Monika.
Bitte nicht! Sabine wollte nicht schon wieder darüber reden. Instinktiv griff sie nach dem goldenen Herz-Medaillon an ihrer Halskette. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihr Vater ihre Mutter jemals hintergangen hätte. Erst jetzt wurde ihr wieder bewusst, wie sehr er noch an ihr hing – trotz Scheidung und Sorgerechtsstreit.
Ihr Handy läutete. »Entschuldige bitte.« Sabine griff zum Telefon. Gabriels Nummer. Sie führte ein kurzes Gespräch mit ihm. Mittlerweile war er beim LKA in der Maillingerstraße eingetroffen und begleitete ihren Vater durch die Verhöre. Von Gabriel erfuhr sie, dass ein hochgewachsener Kerl mit Glatze und niederländischem
Akzent ihn ebenfalls kurz gesprochen hatte. Wobei kurz noch untertrieben war. Er hatte ihm bloß drei Fragen gestellt und ihn zu knappen,
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