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Todesfrist

Todesfrist

Titel: Todesfrist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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arbeitete bei einem Rechtsanwalt, wo sie Testamente und Schenkungsverträge schrieb. Kannten Sie die Frau? Immerhin haben Sie einige Jahre in Köln gelebt.«
    Sabine schüttelte den Kopf. Sie zwang sich, zum nächsten Foto zu blättern. Es zeigte die in einer Blechwanne zu einem verkohlten Klumpen verbrannte Leiche. Die Kleider der Frau stapelten sich säuberlich zusammengefaltet neben der Toten. Auf der Bluse lag eine goldene Halskette mit Kreuz. Aber der Mörder hatte die Kette nicht wahllos hingeworfen, sondern ihre Glieder zu einem Herz geformt, als wollte er mit seiner Tat etwas Schönes, Ästhetisches ausdrücken. Im Hintergrund eines weiteren mit Weitwinkel aufgenommenen Fotos war der untere Rand einer riesigen, etwa zwei Meter breiten Glocke zu sehen. Darunter stapelten sich Bauschutt und Zementsäcke. Hinter den eingeschlagenen Fenstern des Dachstuhls lag grauer Himmel.

    »Elfriede Nikitsch, achtundfünfzig Jahre alt, ehemalige Hauptschullehrerin in Leipzig. Sie konnte nur anhand ihres Gebisses und der Unterlagen ihres Zahnarztes identifiziert werden, der ihr ein Implantat verpasst hatte.«
    Ein beklemmendes Gefühl zog Sabines Brustkorb zusammen. Hätte sie der Anblick dieser Fotos auch dann so mitgenommen, wenn sich dahinter nicht das Handwerk des Mörders ihrer Mutter verbarg? Vermutlich nicht. Die Menschen wären ihr egal gewesen. Doch so setzte der Tod ihrer Mutter die schreckliche Reihe von Morden fort, die dieser Wahnsinnige verübte. Sabine litt mit jedem Todesopfer mit, als hätte sie es persönlich gekannt.
    Trotz der schrecklichen Gedanken kam ihr ein Detail in den Sinn. »Nesselberger, Nikitsch und Nemez …«, wiederholte sie. »Alle Namen beginnen mit N.«
    »Zwei sogar mit Ne, um genau zu sein. Aber ich denke nicht, dass es etwas zu bedeuten hat«, wischte Sneijder ihre Überlegung vom Tisch. »In der Bilderbuchgeschichte war Paulinchen allein zu Hause und spielte mit Streichhölzern, bis die Flammen Kleid, Schürze und Haare erfassten. In der Realität trug es sich anders zu. Struwwelpeter hat die Frau an eine Blechwanne gekettet, mit Benzin übergossen und den Brennvorgang nach ihrem Tod zweimal wiederholt. Die Fenster ließen sich nicht öffnen, also hat er kurzerhand die Scheiben eingeschlagen, um für die nötige Luftzufuhr zu sorgen.«
    Sabine betrachtete noch einmal die Weitwinkelaufnahme des Glockenstuhls. Ein Wunder, dass die Holzkonstruktion nicht Feuer gefangen hatte. »Woher stammt die Blechwanne?«
    »Von den Bauarbeitern zum Anrühren des Zements. Der Turm wurde restauriert«, sagte Sneijder. »Dieser Tod dürfte Struwwelpeter schon mehr befriedigt haben. Bestimmt hat er die Frau auch noch in seiner Vorstellung schreien und um Hilfe flehen hören, als der Benzinkanister bereits leer war.«
    »Hat niemand das Feuer oder den Rauch bemerkt?«
    »Nicht um vier Uhr morgens.«

    Sabine starrte auf das Foto. Sie musste an den Anblick ihrer Mutter denken. Angekettet an die mächtige Domorgel. »Diese Frauen wurden wie Vieh hingerichtet.«
    Sneijder nickte. »Foltermorde. ›Es brennt die Hand, es brennt das Haar, es brennt das ganze Kind sogar‹«, murmelte er und faltete nachdenklich die Hände vor dem Mund.
    Sabine kannte die Sprüche aus dem Bilderbuch auswendig. Sie hatte sie in ihrer Kindheit oft genug gehört.
    Sneijder deutete auf die nächsten Fotos, die mit der Vorderseite nach unten lagen. »Sind Sie für den dritten Mord bereit?«
    Werde ich das je sein? Sie ballte die Hände zusammen. »Sie sagten vorhin selbst: Wenn nicht jetzt – wann dann?«
    »Sie lernen schnell.«
    Sabine wendete die Fotos und sah das Gesicht ihrer Mutter. Das Büro begann sich um sie zu drehen. Die geöffneten Augen, die zugeklebten Nasenflügel, der weit aufgerissene Mund. Sabine klammerte sich an die Stuhllehne.
    »Tubus und Inspirationsschlauch steckten fünf Zentimeter tief in ihrer Luftröhre. Damit hätte Ihre Mutter wohl weitergelebt. Doch Struwwelpeter hatte ihr mit einem Trichter zwei Liter Schreibtinte eingeflößt. In mühsamer Kleinarbeit muss er den Inhalt von etwa siebzig Tintengläsern gesammelt haben. Laut Labor von der Marke Pelikan, Farbe brillant-schwarz. Gibt es zu dreißig Milliliter in jedem Schreibwarenladen für vier Euro zu kaufen.«
    Er machte eine Pause, als wollte er seine Worte auf sie wirken lassen.
    »Wie sind Sie auf das Bilderbuch gekommen? Wegen der Salzbrezel, die der Junge in der Hand hält, als er vom großen Nikolaus ins Tintenfass getaucht wird?«
    Bis übern

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