Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition)
ihre Angst?
Nein, d u nicht. Es zählt nur dein Wille, er geschehe, jetzt und wann immer du willst. Ich habe nichts Besseres verdient, aber sie schon. Über sie sollst du keine Macht mehr haben, sie hat genug gelitten. Wie viele Stunden hat sie geweint, einsam und ohne Hoffnung, dass du ihr Jammern hörst?
Lass mich dein Retter sein! Mit flammendem Schwert komme ich geritten und werde der Rächer der Ängstlichen sein. Ich werde mir die Klagen der am Boden Liegenden anhören und werde für sie sprechen.
Angst werde ich säen in dein Leben. Mein Herz werde ich mit Rache kühlen und den Verlorenen das Leben zurückgeben, das du ihnen genommen hast.
Es wir d kommen der Tag der Vergeltung! Das Konzert der Ewigkeit braucht keinen Maestro! Ich gebe den Takt der Furcht an, in dessen Rhythmus dein Herz fortan schlagen soll.
Wir alle werden frei sein. Für sie nehme ich alles auf mich. Sie wird gerächt sein und ich erwarte mit Gleichmut die Strafen der Hölle. Verdammt bin ich schon jetzt auf Erden.
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Montagmorgen / Werkstattwunder
Der Frühstückstisch war übersichtlich gedeckt. Georg beschränkte sich auf das Wesentliche - Brot, Butter, Haselnusscreme, Aufschnitt und Kaffee - und damit war er bislang ganz gut gefahren. Dieses Frühstück gab es schon, solange er sich erinnern konnte. Bereits als kleiner Junge hatte er alle Versuche seiner Mutter, ihm morgens selbstgekochte Marmelade oder Käse schmackhaft zu machen, abgewiesen. Er wollte erst ein Schoko- und anschließend ein Salamibrot und das hatte sich bis heute nicht geändert.
Seine Mutter war inzwischen ausgezogen und nach einer ersten Zeit der Selbstfi ndung als zurückgelassener Sohn hatte Georg sich mittlerweile mit seinem neuen Leben angefreundet. Gelegentlich war es ihm zwar ein wenig zu still in der Wohnung, auf der anderen Seite genoss er die Freiheit, für alle Entscheidungen allein zuständig zu sein. Das Frühstück jedenfalls musste er nicht mehr verteidigen und das dick mit Butter und Schokocreme bestrichene Brot schaffte es auch an diesem Morgen, Georg gut gelaunt in den Tag starten zu lassen. Gesteigert wurde seine gute Stimmung noch durch die Tatsache, dass er heute frei hatte, weil er endlich seine Überstunden abbaute.
Georg saß am Küchentisch und während er aß , streifte sein Blick die Postkarte auf dem Tisch, die er gegen die Wand gelehnt hatte. Lisa-Marie hatte ihm geschrieben, aus Korfu. Georg betrachtete das Foto genauer; blaues Meer, kleine Häuser in einer Bucht, ein kitschiger Sonnenuntergang. Warum manche Leute so weit weg fahren mussten, wenn sie Urlaub hatten, würde er wohl nie verstehen. Georg blieb am liebsten zu Hause. Hier hatte er alles, was er zum Entspannen brauchte. Nach dem Auszug seiner Mutter ins Altersheim hatte er sein altes Kinderzimmer komplett als Modellbauwerkstatt eingerichtet. Hierhin zog sich Georg gern zurück und fieberte schon dem Tag entgegen, an dem er die neueste Modellgeneration auf dem Flugplatz in die Luft steigen lassen konnte. Lisa-Marie hatte für sein Hobby kein großes Interesse gezeigt und so hatte die Bastelei einige Monate geruht. Solange, bis Lisa-Marie allein in den Urlaub gefahren war. Auch nach ihrer Rückkehr würde Georg wieder viel Zeit für sein Hobby haben.
Georg drehte die Karte um. Er hatte sie vor ein paar Tagen erhalten, aber ungelesen auf dem Tisch abgestellt. Obwohl Lisa-Marie und er nicht miteinander konnten, war es für Georg ohne sie auch schwer.
Lieber Georg, es tut gut , am Meer zu sein. Der Wind bläst mir alle trüben Gedanken fort und die Sonne wärmt mir mein trauriges Herz. Ich hätte mir so gewünscht, dass wir zusammen in die Welt ziehen und ich weiß, dass es dir auch so geht. Ich denke viel an uns und hoffe, dass wir wenigstens das bleiben, was wir vorher waren. Liebe Grüße, Lisa-Marie.
Georg musste schlucken. Gegen die Erinnerung half nicht einmal der Biss ins Schokoladenbrot. Weil er spürte, dass ihm der Hals eng wurde und die Tränen in die Augen stiegen, legte Georg die Karte zur Seite und stand abrupt auf. Heute war sein freier Tag, da konnte er machen, was er wollte und das war ganz gewiss nicht, mit einem sentimentalen Anfall am Küchentisch Zeit totzuschlagen.
Georg ging ins Bad, um sich zu rasieren. Wenn er frei hatte, frühstückte er gern im Schlafanzug, las ausgiebig die Zeitung, um dann nach seinen Modellbau-Schätzen zu sehen. Als er sich während der Nass-Rasur im Spiegel betrachtete, schweiften seine Gedanken wieder
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