Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition)
zu Lisa-Marie ab. Sie hatte eine Lücke hinterlassen, das spürte Georg jeden Tag, an dem sie weg war.
Nachdem Lisa-Marie und er an Silvester ihren Einsatz auf dem Friedhof beendet hatten und auch die ganzen Formalitäten auf dem Revier erledigt waren, hatten sie beide keine Lust mehr auf feucht-fröhliches Feiern und hatten den Abend geruhsam zusammen ausklingen lassen. Was mit einem netten Essen begann, fand seine Fortsetzung in weiteren Verabredungen und Telefonaten. Der Hauptkommissar und seine Kollegin kamen sich näher. Das war eine aufregende Zeit für Georg, der bis dahin eingefleischter Junggeselle gewesen war. Er genoss die Nähe zu der attraktiven Frau und fühlte sich geschmeichelt, sie an seiner Seite zu haben. In sein Glück mischte sich aber auch immer stärker das Gefühl, zu viele eigene Bedürfnisse zurückzustecken. Er begleitete Lisa-Marie zu ihren Freunden, war mit ihr auf ihren Partys unterwegs und vermisste dabei immer stärker sein eigenes, ruhiges Leben. Schließlich hielt er es nicht mehr aus und versuchte das in Worte zu fassen, was die junge Frau bereits seit einiger Zeit gespürt hatte.
Georg spülte sich den Rest des Rasierschaums aus dem Gesicht fort und damit auch die Gedanken an ihr letztes trauriges Beisammensein vor zwei Wochen. Lisa-Marie hatte geweint und wollte sich nicht trösten lassen. Georg war froh, dass sie auf Abstand ging; es wäre ihm schwer gefallen, sie jeden Tag bei der Arbeit zu sehen. Lisa-Marie hatte erst ihre Überstunden abgefeiert und anschließend Urlaub genommen. Sie wollte ihnen Raum geben und sich ablenken, da kam der Club-Urlaub in Griechenland für sie gerade recht.
Georg hätte es nur schwer ertragen, Lisa-Marie direkt nach dem Ende ihrer kurzen Beziehung jeden Tag begegnen zu müssen. Um sich abzulenken, stürzte er sich in seine Arbeit. Heute allerdings hatte er frei und freute sich auf den Tag. Ein wenig ärgerte er sich über sich selbst, weil er schon wieder den trübseligen Gedanken nachhing. Davon würde sein Trennungsschmerz auch nicht besser werden. Das Grübeln brachte ihn nicht weiter, schließlich hatte er die Beziehung beendet.
Das Telefon klingelte. Georgs Mutter meldete sich gut gelaunt und wollte gleich wissen, ob er gut geschlafen und schon etwas gefrühstückt habe. Seit seine Mutter ins Gertrudenstift gezogen war, glaubte sie, durch regelmäßige Kontrollanrufe verhindern zu können, dass er der von ihr insgeheim befürchteten Verwahrlosung anheimfiel. So jedenfalls kamen Georg die mütterlichen Telefonate vor. „Ja, Mama, du brauchst dir keine Sorgen machen. Heute gab es wie jeden Morgen ein Schoko-, ein Salamibrot und dazu Kaffee. Rasiert und gewaschen bin ich auch schon. Und wenn du es ganz genau wissen willst, ich stehe gerade nackt im Flur während wir telefonieren.“
Seine Mutter ließ sich davon nicht aus dem Konzept bringen, sie rief schließlich nicht ohne Grund an. „Dass du dir nur keinen Schnupfen holst, hörst du. Gibt es eigentlich schon etwas Neues im Fall der toten Frau Wellenstein? Hast du schon die Untersuchungsergebnisse?“
Aha, daher wehte der Wind, dachte sich Georg. Mütterliche Fürsorge als Tarnmäntelchen für kriminalistische Neugier. Der Hauptkommissar musste seine Mutter enttäuschen, der Bericht der Gerichtsmedizin würde frühestens heute Nachmittag vorliegen.
Unversehens wechselte seine Mutter das Thema. „Und was ist mit den Konzertkarten für nächste Woche, hast du die schon abgeholt? Hoffentlich findet das Konzert nach diesem Trauerfall überhaupt statt.“
Georg wusste zwar nicht, warum seine Mutter ihr Lieblingsthema - seine Ermittlungsarbeit - so plötzlich fallen ließ ohne es weiter zu vertiefen, aber vielleicht waren das die ersten Altersheim-Anpassungserscheinungen.
„Schorsch, du hast doch heute deinen freien Tag. Wollen wir da nicht was zusammen unternehmen? Ich würde mir gern ein neues Kostüm für das Konzert kaufen und so wie ich dich kenne, könnte dein Kleiderschrank auch eine kleine Auffrischung vertragen. Was hältst du davon, wenn wir erst zu Mode-Rettenmaier gehen, dir und mir was Feines fürs Konzert aussuchen und ich dich anschließend schön zum Mittagessen ausführe? Wir könnten am Nachmittag irgendwo eine gute Tasse Kaffee trinken, ein Stück Torte essen und anschließend die Ermittlungsergebnisse in der Gerichtsmedizin und die Konzertkarten abholen.“
Eine komplette Tagesplanung vorgesetzt zu bekommen, war zu viel für Georg. In seiner Situation wäre er schon
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