Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition)
mit einer Unterhose vollkommen zufrieden gewesen und hätte die weitere Tagesgestaltung gern dem Zufall überlassen. Einen Punkt hatte er sich allerdings doch vorgenommen. Er wollte sich unbedingt um die Reparatur seines Autos - Mamas Autos - kümmern. Die Beulen konnten unmöglich drin bleiben. Denn, was würden die Leute sagen und seine Mutter war auch nicht blind. Sobald sie den Ascona auch nur von weitem sehen würde, würden ihr die Beschädigungen auffallen. Und auf dieses Theater, das danach folgen würde, hatte Georg absolut keine Lust. Noch ehe er zwischen dem demolierten Oldtimer und dem Tagesausflug mit seiner Mutter einen unmittelbaren Zusammenhang herstellen konnte, hörte er sich bereits antworten. „Warum eigentlich nicht, aber nur wenn wir in Inges Knusperhäuschen gehen. Dort gibt es einfach die weltbesten Torten.“
Erst als seine Mutter bereits aufgelegt hatte, fiel Georg der unübersehbare Blechschaden an dem alten Opel wieder ein. Mit dem Auto konnte er seine Mutter unmöglich abholen. Hoffentlich hatten sie im Autohaus Merz einen Leihwagen, den er mieten konnte, so lange das alte Schätzen beim Ausbeulen war. Auch wenn er es nicht gern tat und nur im allergrößten Notfall, heute würde er seine Mutter anlügen müssen. Ihr Ascona war und blieb ihr Schmuckstück, auch wenn sie selbst schon seit längerem nicht mehr selbst fahren wollte. Dass er ihr „heilig’s Blechle“ im Vollrausch ramponiert hatte, wollte er ihr lieber nicht gestehen.
Er hatte versprochen, sie in einer Stunde abzuholen. Georg musste sich beeilen, wenn er vorher noch in der Werkstatt vorbeischauen wollte. Er schlüpfte rasch in seine Kleidung und legte schon aus Gewohnheit das Ohr an die Tür, bevor er ins Treppenhaus trat. - Stille. - Er konnte niemanden hören und auch der Blick durch den Spion versprach reine Luft. Georg öffnete seine Wohnungstür trotzdem vorsichtig und schlich leise nach draußen, um die Tür anschließend mit dem Schlüssel zu schließen, um das gewohnte Zuschnappen zu vermeiden. Seit seine Mutter ausgezogen war, hatte Georg das Gefühl, dass alle Mitbewohner im Haus es sich zur Pflicht gemacht hatten, nach ihm zu sehen, mit ihm zu sprechen und nicht selten fühlte er sich direkt verfolgt von seinen Oldies.
Nach der morgendlichen emotionalen Achterbahn mit Lisa-Marie-Erinnerungen und mütterlicher Fürsorge wollte Georg um jeden Preis ein weiteres Highlight der Kommunikation im Treppenhaus verhindern. Er nahm immer zwei Stufen auf einmal und versuchte möglichst leise aufzutreten, um schnell und vor allem unbemerkt nach unten zu kommen. Seine Hoffnung auf eine reibungslose Treppenhaus-Passage zerschlug sich zwei Stockwerke tiefer, wo er auf Frau Schäufele und Frau Helmle mit Ernst an der Leine traf. Die beiden älteren Damen schienen sich gerade angeregt über Sonderangebote im Supermarkt zu unterhalten, so dass Georg schon hoffte, sich mit einem freundlichen „Grüß Gott“ an den beiden vorbeimogeln zu können. Doch da hatte er sich getäuscht. Kein Sonderangebot war so spannend wie das Gespräch, das sich die beiden mit ihm erhofften.
„Schorsch, Grüß Gott. Wie geht’s dir denn heut e? Ich habe dich am Wochenende gar nicht gesehen. Es war vielleicht am Freitag alles ein wenig viel im Venezia , gell?“ Frau Helmle sparte sich die einleitenden Worte und kam gleich zum Punkt. Warum auch Floskeln bemühen, man kannte sich schließlich lang genug in der Schubartstraße Nummer fünf. Die allesamt in die Jahre gekommenen Hausbewohner hatten Georg aufwachsen sehen und hatten eine Vorliebe dafür entwickelt, ihm immer wieder die Geschichten und Anekdoten aus seiner Jugend unter die Nase zu reiben. Georg hatte sich schon fast daran gewöhnt, allerdings war das Thema Venezia heute ein wunder Punkt, schließlich musste er jetzt dafür sorgen, dass die letzten Folgen dieses Abends verschwanden. Seinen Kater hatte er bereits am Morgen danach erst verflucht und dann auskuriert.
Georg besann sich allerdings auch jetzt auf seine gute Kinderstube. Seine Mutter hatte ihm immer eingeschärft, höflich zu allen Erwachsenen und besonders zu den Bewohnern des Hauses zu sein. Und in gewisser Weise sah er seine Mitbewohner immer noch als die Erwachsenen im Haus an. Mutti sollte sich nicht für ihn schämen müssen.
„Danke der Nachfrage, Frau Helmle. Es geht mir gut. Ich hatte am Wochenende nur viel Arbeit und jetzt muss ich auch schon gleich wieder weiter. Die Pflicht ruft.“
Die beiden mussten
Weitere Kostenlose Bücher