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Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition)

Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition)

Titel: Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Wierlemann
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stark erschüttert. Er litt. Esther fand Genugtuung in dem Gedanken, dass ihr Mann, der alle menschlichen Regungen oft genug an sich abprallen ließ, endlich eine Vorstellung von den Qualen bekam, die sie selbst seit Jahren hinter der Fassade der erfolgreichen Bürgerlichkeit vor den Blicken der Öffentlichkeit verbarg.

- 13 -
    Mittwochabend / Chorprobe
     
    „Meine Damen, meine Herren, hiermit beenden wir die Probe, vielen Dank. Ich bin mir sicher, dass wir nächste Woche ein wunderbares Konzert haben werden. Der alten Tradition folgend, schlage ich vor, dass wir nun den gemütlichen Teil des Abends ins Venezia verlagern. Ich möchte Sie als Willkommensgruß gern auf ein Glas einladen. Wir sehen uns dann gleich drüben, wenn Sie mögen.“
    Die Mitglieder der Kantorei waren erleichtert. Sie hatten der ersten Probe mit ihrem ehemaligen Dirigenten mit gemischten Gefühlen entgegengesehen. Vielleicht hatte Wellenstein sich verändert, jetzt da er sich in der Musikszene einen Namen gemacht hatte und im In- und Ausland gastierte.
    Die Sängerinnen und Sänger hatten es Wellenstein damals ziemlich übel genommen, dass er ihren Chor verließ, um ein Engagement im Ausland anzunehmen und dort Karriere zu machen. Obwohl Wellenstein kein überragender Musiker war, hatte er es geschafft, den Mitgliedern der Kantorei zu vermitteln, Teil von etwas Großem und Bedeutendem zu sein. Dass sie allerdings nur Statisten rund um Wellensteins Ego waren, merkten viele erst, als der neue Dirigent frischen Wind in die Kantorei brachte.
    Willi Hensler hatte es nicht leicht, die Herzen der Chorsänger zu erobern. Denn sie waren es gewohnt, das Beglückende an den Chorproben nicht in erster Linie in der Begegnung mit der Musik zu suchen, sondern im Urteil Wellensteins. Schon in den ersten Proben Willi Henslers wurde deutlich, dass sich viel ändern würde. Er führte ein neuartiges Probenkonzept und neue Methoden zur Stimmbildung ein. Außerdem setzte er auf eine progressivere Titelauswahl für die Konzerte. Er hatte es nicht leicht, aber der Chor merkte, dass sein Ansatz Erfolg hatte. Der Stimmkörper der Kantorei wurde gewaltiger und nuancenreicher. In den Konzerten präsentierte der Chor sich mit einer Brillanz, die auch die schärfsten Kritiker Begeisterungshymnen anstimmen ließ. In Willi Hensler hatte der Chor seinen neuen Maestro gefunden, mit dem ihm der Sprung in die Riege der Spitzenchöre gelang und aus der anfänglichen Skepsis wurde Liebe.
    Wellensteins Nachfolger hatte die Probe vom Klavier aus verfolgt. Er hatte für seinen alten Klassenkameraden die Rolle des Korrepetitors übernommen. Der Chor hatte seine Sache sehr gut gemacht; Hensler war stolz auf die Kantorei. Und Wellenstein schien tatsächlich positiv überrascht zu sein. Willi Hensler versuchte, einen Blick seines ehemaligen Weggefährten zu erhaschen, aber dieser wandte ihm den Rücken zu, hatte nur Augen für die Sängerinnen und Sänger. Würde er seine Arbeit honorieren? Würde ihm ein Wort des Dankes und der Anerkennung entschlüpfen? Hensler bezweifelte es, schließlich hatte sich auch Wellensteins Probenarbeit nicht verändert. Warum sollte sich der Dirigent, der längst eine Größe auf dem internationalen Musikmarkt war, menschlich positiv weiterentwickelt haben? Macht korrumpiert viele und Wellensteins Lebenselixier war es, seinen Einflussbereich zu wahren und zu vergrößern. Atemlos hatte er die Sängerinnen und Sänger durch die Probe gehetzt, seine Weisheiten zu musikalischen Fragestellungen, die in der Forschung durchaus kontrovers diskutiert wurden, als letzte Wahrheit verkündet, getadelt und getobt und trotzdem konnte er am Ende der Probe in glückliche Gesichter schauen.
    Willi Hensler gab das Phänomen Wellenstein wieder einmal Rätsel auf. Wie schaffte es dieser Egomane, dieser musikalische Durchschnittsdirigent und Choleriker, dass die Menschen ihn liebten und bewunderten? Hensler las in den Gesichtern seiner Sänger Zufriedenheit und den Wunsch nach Anerkennung durch den Maestro. Diese Blicke hatte er selbst noch nie gesehen und er war froh, dass er seinen Chor nur für eineinhalb Wochen in die Hand Wellensteins geben musste. Die Abneigung gegen Wellenstein - den Menschenfänger von Bärlingen - die in ihm hochkroch, schluckte er hinunter. Ha-Pe würde sein Jubiläumskonzert halten - diesen Wunsch hatte er ihm nicht abschlagen wollen – und dann hoffentlich wieder verschwinden. Hensler war ihm immer noch dankbar dafür, dass er ihn damals als

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