Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition)
Chormitgliedern unterhielt. Gerda sah in ihre Gesichter und konnte erkennen, dass Wellenstein alle seine Gesprächspartner geschmeichelt und beglückt zurückließ.
Sie ging an ihren Platz und unterhielt sich angeregt mit Wellensteins Assistent und Willi Hensler über das kommende Chorprobenwochenende und das Konzert. Kurze Zeit später stieß Wellenstein wieder dazu und es dauerte nicht lange, da hatte er die Zügel des Gesprächs übernommen und es geschafft, mit Gerda ein Zweiergespräch zu beginnen. Er erkundigte sich interessiert nach ihrem Erfolg bei der Mörder-Jagd im Fall „Merz“. Die Geschichte sei schließlich ausführlich durch die Presse gegangen und habe mit der Ehrung Ottos einen glanzvollen Abschluss gefunden. Gerda war das Ganze zwar schon ein wenig leid, denn im Gegensatz zu ihrem Mann kehrte sie ihren Anteil an der erfolgreichen Festnahme des Attentäters gern unter den Teppich.
Wellenstein schien sich jedoch sehr für die Geschichte zu interessieren und stellte viele Fragen. Der Dirigent zollte dem Mut und der Entschlussfreudigkeit der Königs großen Respekt und wollte von Gerda wissen, wie es ihr gelang, die vielen Eindrücke zu verarbeiten. Jetzt hielt Gerda den Augenblick für gekommen, um auch eine persönliche Frage zu stellen. Sie kondolierte Wellenstein und erkundigte sich vorsichtig, wie es dem Dirigenten nach seinem schweren Schicksalsschlag ginge und ob er sich den ganzen Stress mit dem Konzert wirklich antun wolle. Sie hatte den richtigen Moment abgepasst und entgegen seiner sonstigen Gewohnheit gewährte ihr Wellenstein einen Blick in sein Innerstes.
So manches Viertele war bereits geleert und u m sie herum brandete die fröhliche Ausgelassenheit, die Gerda und Wellenstein aber schon gar nicht mehr wahrnahmen. Der Dirigent beichtete ihr im Vertrauen seine Verletzung und Trauer. Er schüttete ihr sein Herz aus und vertraute ihr seine Sorge um das Konzert an. Die öffentlichen Angriffe auf seine Person hatten ihn sehr getroffen. Als die Bedienung kam, um erneut Bestellungen aufzunehmen, war das Band der Vertraulichkeit zwischen ihnen zerschnitten. Wellenstein ging, als sei nichts gewesen, zum seichten Ton des Small-Talks über. Selbstverständlich werde er dem Chor auch nach dem Konzert gewogen bleiben. Schließlich sei die Bärlinger Kantorei doch so etwas wie sein Kind, das zwar mittlerweile selbstständig sei, das er aber doch gern noch begleite und unterstütze, falls notwendig.
Gerda nickte nur. Sie konnte das nicht, blitzschnell umschalten von echten Gefühlen und tiefen Gesprächen auf oberflächliches Plaudern. Wellenstein bemerkte ihren Rückzug nicht einmal, denn er hatte sich schon seinem Assistenten zugewandt. „Erinnern Sie mich morgen unbedingt daran, dass ich mich bei den Amerikanern melde? Haben wir in China eigentlich schon zugesagt? Sie sehen“, warf er in die Runde „es gibt noch so viel zu tun.“
Adriano Felice kam mit einem großen Tablett voller Gläser und drei Grappa-Flaschen. „Alora, für unsere beste Gäste gibt es heute eine gute Medizin für die Stimme. Damit das Konzert wird eine große Erfolg!“ Der Wirt erntete für seine Freigiebigkeit allgemeine Anerkennung, was ihn zu weiteren Zugaben beflügelte. „Danke, danke, meine Freunde. Sie wissen, dass die Musik iste zu Hause in meine Lokal. Und weil sie alle sind solche begeisterte Sänger, meine Frau wird nun für euch singen.“
Valentina hatte bereits am Türrahmen auf ihr Stichwort gewartet und kam mit Noten in der Hand ins Zimmer. Die Chormitglieder ahnten bereits, dass sie sich den Gratis-Schnaps mühsam würden verdienen müssen und so fiel der Begrüßungsapplaus für die Gastronomen-Gattin auch eher höflich als enthusiastisch aus. Valentina setzte sich darüber hinweg; wahre Kunst störte sich nicht an solchen Kleinigkeiten. Mit gezierter Bescheidenheit kündigte sie an, dass sie aber nur singen werde, wenn Wellenstein ihr die Ehre gebe, sie am Klavier zu begleiten.
Der Beifall, der diesem Vorschlag Nachdruck verlieh und Wellenstein zum Aufstehen bewegte, war echt. In ihm schwang Schadenfreude und die Lust mit, Zuschauer eines besonders skurrilen Schauspiels zu werde n. Der Maestro setzte sich ans Klavier und spielte zur Probe ein paar Akkorde. Das Instrument war nicht verstimmt, wie er befürchtet hatte, aber er war Besseres gewohnt. Heute wollte er sich keine Blöße geben und so machte er gute Miene zum bösen Spiel.
Valentina bot das ganze Repertoire ihrer Mittelmäßigkeit auf
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