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Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition)

Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition)

Titel: Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Wierlemann
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und das Publikum ertrug die Darbietung mit höflich versteckter Beschämung. Die Italienerin war in ihrem Element und nicht zu stoppen; immer neue Noten setzte sie dem Meister vor, der nicht wusste, wie er sich mit Anstand aus seiner misslichen Lage befreien konnte.
    Als Ansgar Wellenstein seinen Bruder am Klavier Platz nehmen sah und die Sängerin mit ihrer Darbietung begann, hörte er plötzlich nicht mehr die gepressten Arien der Möchtegern-Diva, sondern er hörte sich selbst. Zuletzt hatte er seinen Bruder so auf dessen Abitur-Feier gesehen.
    Die Wellenstein-Brüder hatten sich bereits zu Schulzeiten einen Namen als Musiker gemacht und waren an diesem Abend für die musikalische Unterhaltung verantwortlich. Ansgar sang, sein älterer Bruder Hans-Peter begleitete ihn am Klavier. Die Musik kam gut an, die Stimmung hätte nicht besser sein können und Ha -Pe schwamm auf der Welle des Erfolgs. Immer neue Nummern sagte er an, immer kürzer wurden die Pausen. Die Zeichen der Erschöpfung bei seinem Bruder ignorierte er. Ansgar sang das Publikum in Grund und Boden, alle jubelten den Brüdern zu und Hans-Peter gewährte immer neue Zugaben.
    Dass sein Bruder die folgenden beiden Tage kaum eine Stimme hatte, schrieben beide dem rauschenden Fest zu. Als sich jedoch nach einer Woche keine Besserung abzeichnete und eine Untersuchung beim Arzt die letzte Gewissheit gab, starb Ansgars Traum von der Musik. Seine Stimmbänder hatten einen irreparablen Schaden erlitten. Der Arzt ließ keinen Zweifel daran, dass das Singen für Ansgar Zeit seines Lebens ein kurzes Vergnügen bleiben würde, zu schnell würden die beschädigten Stimmbänder erschöpft sein. Er riet dem verzweifelten jungen Mann, der bereits von einer Gesangskarriere geträumt hatte und dem verschiedene Lehrer Talent und großartige Aussichten bescheinigt hatten, das Singen ganz aufzugeben.
    Für Ansgar brach eine Welt zusammen. Vom Singen konnte er allerdings nicht lassen, auch wenn es ihm anfangs nicht gelang, das Konzertpensum umfangreicherer Chorpartien dur chzustehen. Mit der Zeit erholte sich seine Stimme zwar, aber das Handicap wurde er nicht mehr los. Das Schlimmste für ihn war, zusehen zu müssen, wie sein größerer Bruder den Traum für sich wahr werden ließ, der seiner gewesen wäre. Der Name Wellenstein hatte einen Klang in der Welt der Musik, allerdings war es der von Hans-Peter Wellenstein.
    Zu Ansgar Wellenstein kamen die Leute nur, um in seiner Apotheke ihre Rezepte einzulösen, verschämt nach Hämorrhoiden-Salbe zu fragen oder um sich den Blutdruck messen zu lassen. Seit drei Jahren war er nicht einmal mehr in der Kantorei erwünscht, weil er zu alt war. Dass er das Jubiläumskonzert seines Bruders mitsingen durfte, hatte er nur dessen persönlicher Fürsprache bei Hensler zu verdanken. Es fehlten Tenöre und da war er gerade gut genug.
    Ansgar Wellenstein wurde von seinem Nachbarn aus seinen trüben Gedanken geholt. „Das ist doch jetzt endgültig dein letztes Konzert, Ansgar, oder? Mach dir nichts draus. Die Ehemaligen lassen es auch ganz gesellig angehen, in ihrem Singkreis.“
    Dem Apotheker war nicht zum Lachen zumute, er konnte den Anblick seines Bruders am Klavier nicht länger ertragen, er musste gehen. „Hier, zahl du für mich. Ich pack es jetzt.“ Ansgar Wellenstein drückte seinem Nachbarn das Geld für die Rechnung in die Hand, stand auf und ging grußlos an seinem Bruder vorbei.

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    Reise in den Kopf, Teil 3
     
    Du zitterst und fürcht est dich. Gut so! Was du fühlst, ist nur ein Bruchteil des Leids, das ich erlitten habe. Es ist nur ein Hauch der Zukunftsangst, die mein ständiger Begleiter war. Und doch scheinst du schon unter dieser Last zu schwanken. Schwacher Geist und schwacher Körper, hinfällig und bequem! Du leidest, aber du lebst. Du lebst, weil ich es will.
    Ich gebe dir noch Zeit, aber ich nehme alles und werde dich richten. Bezahlen wirst du für deine Taten genauso wie für deine Tatenlosigkeit. Bis dahin will ich mich weiden an deinen schreckerfüllten Augen, werde dir fürsorglich meinen Arm reichen. Stütze dich auf mich, vertraue dich mir an. Wenn die Zeit gekommen ist, wirst du in mir einen unerbittlichen Richter finden.
     
    Spürst du dein Herz pochen bis zum Hals? Du, der du immer in Sicherheit gelebt hast, der nicht weiß, was Sorgen sind, sehnst du dich jetzt nach Geborgenheit? Gibt es einen Ort, an dem du wirklich sicher bist?
    Das Gefühl kenne ich. Die Fragen fressen sich wie Säure in dein

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