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Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition)

Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition)

Titel: Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Wierlemann
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Jetzt war gelegentlich ein Lachen zu hören und die Blicke auf die Uhr hatten deutlich abgenommen. Der Alkoholpegel war gestiegen und mit ihm die Fähigkeit, sich die Situation schönzureden. Während Wellenstein seine Honneurs machte und dabei auf Schritt und Tritt von seinem Assistenten Pirchow begleitet wurde, auf den er sich stützte, so als ob ihm das gesellschaftliche Parkett zu glatt geworden war, war seine Frau unermüdlich damit beschäftigt, Geschirr und Gläser abzutragen. Zwar hatten Wellensteins auch eine Service-Kraft engagiert, aber die Hausherrin konnte wohl nicht aus ihrer Haut.
    Esther Wellenstein tat Gerda leid. Sie machte einen abgekämpften Eindruck und schien die Arbeiten nicht bewusst, sondern mechanisch zu erledigen. Es hätte die Friseurin nicht gewundert, wenn die Gastgeberin unter Drogen stand. Sie ging auf die Dame des Hauses zu und half ihr, die Gläser in die Küche zu bringen. „Ich habe von dem Feuer gehört. Sie müssen Schlimmes mitgemacht haben, Sie Ärmste.“ Gerda hatte mit ihren Worten genau ins Schwarze getroffen und Frau Wellenstein schüttete ihr in der Küche das Herz aus. Ihr gehetzter Blick war Kummerfalten gewichen und sie verriet Gerda, dass sie sich solche Vorwürfe mache, weil ihre Putzfrau zu Tode gekommen sei. Und dass sie gar nicht daran denken dürfe, dass der Anschlag eigentlich ihr gegolten habe und dass sie nur durch einen Zufall dem Attentat entkommen sei.
    Die Frauen drapierten neue Gläser auf ihren Tabletts und gingen ins Wohnzimmer zurück. Gerda bemerkte, wie sich die Gesichtszüge Esther Wellensteins wieder anspannten, als ob sie eine Maske aufsetzte. Die Friseurin hatte plötzlich das Bedürfnis, ihre Gesprächspartnerin abzulenken. „Sie haben einen wunderschönen Garten, Frau Wellenstein, wirklich sehr geschmackvoll und so gepflegt“, sagte sie zu ihr, während sie durch die großen Fensterscheiben nach draußen sah. Frau Wellenstein folgte ihrem Blick und Gerda merkte sofort, dass sie über dieses Thema gern sprach. Ein Lächeln umspielte Esther Wellensteins Mund, als sie ihren Gast in die Geheimnisse ihrer Gartenarchitektur einweihte. Gerda hatte sich zwar noch keine Gedanken darüber gemacht, dass Blumen besonders schön zur Geltung kamen, wenn man sie in Komplementärfarben anpflanzte und dass der Eisenhut besonders schön mit Gazanie harmonierte, war ihr auch egal. In ihrem Stadthaus hatten sie keinen Garten und was auf ihrer Dachterrasse blühte, musste schon eine sehr robuste Natur haben, denn weder Gerda noch Otto hatten einen besonders grünen Daumen.
    Ihr gutes Werk hatte Gerda jetzt getan und sie sah sich nach Otto um. Der hatte Wellenstein nicht aus den Augen gelassen. Mittlerweile musste dieser an jedem der Stehtische vorbeigekommen sein, eskortiert von seinem Assistenten. Ein komisches Paar, dachte sich der Friseur. Der alte Dirigent ließ sich von seinem jungen Mitarbeiter durch die Gästemenge bugsieren und war offensichtlich froh, wenn er von ihm rasch aus seinen Small-Talk-Runden erlöst wurde. Wahrscheinlich war der alte Mann am Ende seiner Kräfte. Auch Otto fand, dass Wellenstein schlecht aussah. Seine Frau hatte nicht übertrieben.
    Als der Dirigent an seinen Tisch trat, brauchte Otto nicht viel mehr tun, als Stichworte zu geben, zu denen Wellenstein dann improvisierte. Eine Ein-Mann-Show, dachte sich Otto. Der große W. braucht seine Gäste nur als Zuhörer. Als Otto den Gastgeber auf die Unterstützung durch seinen Assistenten ansprach, legte der Dirigent seinem Mitarbeiter die Hand auf den Arm und dozierte über die Hilfe, die dieser ihm gerade auch in dieser schweren Zeit zuteil werden ließ.
    Dem jungen Mann war die emotionale Dankesrede sichtlich unangenehm. Er meinte nur bescheiden, dass es für ihn eine Ehre sei, für Wellenstein zu arbeiten und dass er es sich als ehemaliger Praktikant nie im Leben hätte träumen lassen, es einmal bis zum Assistenten des Maestros zu bringen.
    Otto war froh, dass von ihm kein ernsthafter Gesprächsbeitrag erwartet wurde, denn die Selbstbeweihräucherung ging ihm ziemlich auf die Nerven. Zum Glück währte die Gnade der Wellensteinschen Anwesenheit an seinem Tisch nicht allzu lang und Otto konnte sich wieder seinen Beobachtungen widmen. Es passierte nichts Besonderes und so war er froh, als nach einiger Zeit Gerda und Georg wieder zu ihm kamen. Der Hauptkommissar nickte dem Ehepaar nur kurz zu und verschwand dann in Richtung Treppe. Gerda und Otto wussten, was das zu bedeuten hatte.

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