Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition)
herauszufinden, was auf den Seiten abgebildet war, die aus unseren Heften gerissen wurden.“
Otto erkannte, dass seine Frau nicht eher locker lassen würde, als bis sie dieses Geheimnis gelüftet und sich die ganze Spur in Luft aufgelöst hatte. „Weißt du was, ich laufe schnell rüber zu Fritz und Margot. Soweit ich weiß, haben die für den Goldenen Hirsch auch den Lesezirkel abonniert.“
„Nur hilft uns das nicht weiter, viele Hefte werden jede Woche ausgetauscht. Und mir scheint es, als habe unser Absender die Briefe schon im Voraus geklebt und deshalb auch die Umschläge nummeriert.“
„Wie gut, dass mein Bruder seiner Zeit manchmal ein wenig hinterher ist. Im Goldenen Hirsch liegen nicht die aktuellen Hefte aus. Fritz hat sich für die günstigere Lesezirkel-Variante entschieden, in den Goldenen Hirsch kommen die Hefte immer in der zweiten Runde. Wenigstens einmal könnte seine Sparsamkeit ein echter Segen sein.“
Otto machte sich auf den Weg zum Hotel seines Bruders. In der Zwischenzeit überlegte Gerda, welche Kunden am Samstag im Salon gewesen waren und in einem Zusammenhang mit Wellenstein standen und deshalb als Täter für den Zeitschriftenvandalismus in Frage kamen. Normalerweise bediente sie samstags immer Wellensteins Schwägerin. Am letzten Samstag jedoch schickte diese ihren Mann, damit er sich für die Preisverleihung seines Bruders einen frischen Haarschnitt verpassen ließ.
Auch an den Besuch von Wellensteins Assistenten konnte sich Gerda noch gut erinnern. Der junge Mann, der erst seit drei Monaten in Bärlingen wohnte, hatte sich ein Zimmer im Goldenen Hirsch gemietet. Er war in dieser Zeit jede zweite Woche zum Ansatzfärben in den Salon gekommen, so auch am vergangenen Samstag. Gerda erinnerte sich deshalb ganz genau daran, weil sie sich immer freute, wenn Männer auf ihr Äußeres achteten. Allerdings trieb es der Assistent Wellensteins für ihren Geschmack dann doch zu weit: Haare und Wimpern färben, Augenbrauen zupfen, Maniküre und das alle vierzehn Tage. Ihre Art, mit Kunden umzugehen, musste ihm wohl zugesagt haben, denn er ließ sich seither immer von der Chefin in einem der Separees bedienen und sich dabei gern einen Cappuccino aus der privaten Kaffeemaschine servieren. Auf persönliche Gespräch legte der junge Mann allerdings keinen Wert, denn nachdem Gerda ihm vorsichtig ein oder zwei Fragen gestellt und nur knappe Antworten bekommen hatte, ließ sie ihn seither in Ruhe und das schien ihm das Liebste zu sein.
Es gab also zwei Verdächtige: Wellensteins Bruder und Pirchow! Am Samstag waren zwar auch noch andere Kunden im Salon gewesen, nicht alle hatte Gerda gekannt, aber sie hätte keine weiteren Verbindungen zu Wellenstein ziehen können.
Otto kam mit einem Heftstapel unter dem Arm zurück in die Küche. Zuerst sortierten sie die Hefte aus, die sie von vornherein ausschließen konnten. Tatsächlich waren unter den Exemplaren, die Otto aus dem Goldenen Hirsch mitgebracht hatte, auch drei der Hefte dabei, aus denen im Salon Seiten herausgerissen worden waren. In mühsamer Kleinarbeit gelang es dem Ehepaar schließlich herauszufinden, dass die Drohbriefe zum überwiegenden Teil aus Wort-Schnipseln bestanden, die aus den Lesezirkel-Heften ihres Salons stammten. Gerda präsentierte ihrem Mann noch die Verdächtigen, die am Samstag im Salon gewesen waren. Otto hielt jedoch nichts von solchen Spekulationen. Im Salon hätten so viele Leute unbemerkt die Gelegenheit gehabt, Seiten aus den Magazinen zu reißen. Eine letzte Sicherheit, dass die Hefte am Samstag zerrissen worden waren, gab es schließlich auch nicht. Außerdem gab Otto zu bedenken, warum sollte ausgerechnet einer der beiden Männer Frauenmagazine durchforsten und zerfleddern? Er war skeptisch und wollte lieber abwarten, bis der nächste Brief auftauchte. Wenn seine Frau Recht behielt, dann würden sie in dem letzten Brief mitgeteilt bekommen, welche konkrete Gefahr Wellenstein drohte.
Abwarten war jedoch nicht Gerdas Sache. Womöglich ließ man wertvolle Zeit verstreichen, das wollte sie auf gar keinen Fall riskieren. Auch wenn Otto die gemeinsame Ermittlung am Küchentisch jetzt beenden wollte und sich gern vor den Fernseher zurückgezogen hätte, wartete er ab, bis seine Frau den Hauptkommissar angerufen und ihn nach seiner Meinung gefragt hatte. Gerda beendete das Gespräch mit Georg und wandte sich an ihren Mann. „Schorsch meinte nur, er kommt noch vorbei, um sich die Sachen selbst anzusehen.“
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