Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition)
Geräusch, das so klang, als würde jemand langsam an dem Metallspind zu Boden rutschen. Der Bürgermeister verharrte jedoch nicht lange in dieser Position, sondern rappelte sich unversehens auf, stürzte in die Kabine nebenan und erbrach sich in die Schüssel. Georg wusste, dass er diesen Moment nutzen musste und verließ auf Zehenspitzen den Raum. I m Hinausgehen nahm er noch wahr, wie der entsetzte Vater vor der Toilette kniete und immer wieder aufs Neue zu würgen begann.
Was ging hier vor sich? In welche zwielichtigen Geschäfte war der Bürgermeister verstrickt und was w ar das für ein K.O.-Pulver, das normale Frauen zu willenlosen Sexgespielinnen machte, ohne nachweisbar zu sein? Georg war zu aufgewühlt und mit seinen Gedanken woanders, so dass er den Mann, der ihm entgegenkam, erst dann bemerkte, als er mit ihm zusammengestoßen war. Der Hauptkommissar entschuldigte sich bei Wellensteins Assistenten, der sich offensichtlich zurückziehen wollte, um ungestört zu telefonieren. Der junge Mann nickte nur und erklärte seinem Gesprächspartner in breitestem Dialekt, dass alles in Ordnung war und er auf einer Feier sei. Georg wusste zwar, dass Schwäbisch auf der Beliebtheitsliste nie an Bayerisch und Rheinländisch herankam, aber dass Sächsisch über die unteren Ränge nicht hinauskam, das wunderte ihn nicht. Er war zwar selbst Dialektsprecher und hielt sich auch für tolerant, aber hier stieß er an seine Grenzen.
Jetzt brauchte er erst einmal frische Luft. Georg trat durch den Lieferanteneingang ins Freie und lehnte sich an die Hauswand. Ein Schnaps wäre jetzt genau das Richtige und etwas zwischen die Zähne, egal ob er dafür Valentina Felice ertragen musste oder nicht. Der Abend war sowieso gelaufen: Fußballspiel verpasst, musikalische Folter und Einblicke in die schwarzen Abgründe der menschlichen Seele. Schlimmer konnte es nicht mehr kommen.
Da täuschte er sich allerdings . Die Feierlaune im Lokal hatte bereits ihren Siedepunkt erreicht. Während Georg draußen gewesen war, musste sich der Alkoholspiegel der Bärlinger so erhöht haben, dass sie jetzt in der Lage waren, auf dem emotionalen Niveau der Italiener mitzuhalten. Man lachte, sang und trank großzügig mit allen Brüderschaft. Der Tisch des Bürgermeisters war leer, er musste mit Frau und Tochter die Veranstaltung bereits verlassen haben.
Georgs Tischnachbarn hatten sich ein wenig zurückgezogen und waren offensichtlich sehr erleichtert, als sie ihn wiedersahen. Adriano Felice hatte ihn ebenfalls entdeckt und steuerte mit einer Flasche auf seinen Tisch zu. „Liebe Hauptekommissario, du biste die Ehrengast heute. Du haste gerettet meine Valentina und dafür möchte ich dir von ganze Herzen sagen Danke. Lass uns trinken eine Grappa auf die Anfang von eine wunderbare Freundschaft. Denn Adriano iste jetzt deine Freund. Wenn du haste eine Problem, kommste du einfach zu Adriano und dann Problem iste bald weg, eh!“ Der Venezia -Wirt stellte Gläser auf den Tisch und goss großzügig ein. „Ich bin die Adriano unde du die Schorsch, Prost!“
Erst nachdem der Italiener seine Verbrüderung mit einem Kuss links und rechts auf Georgs Wangen besiegelt hatte, ließ er von ihm ab. „So, unde jetzt trinken alle, iste eine Grappa aus Sizilien, die beste!“
Georgs Oldies lehnten dankbar ab, harte Spirituosen vertrügen sich nicht mit ihren Medikamenten und auch Gerda ließ ihr Glas unberührt stehen. Nur Otto stieß mit Georg an. „Auf einen unvergesslichen Abend!“
Dass der Pizzeria-Besitzer erneu t die Bühne erklomm, sich Gehör verschaffte und die weiteren Stücke ankündigte, die seine Frau vortragen würde, blendete Georg bei dem nächsten Glas Grappa, das er sich und Otto König bereits eingeschenkt hatte, aus. Adrianos Versprechen, dass sich der Abend damit seinem Höhepunkt nähere, konnte den Hauptkommissar nicht mehr erschrecken und dass das Finale bedeutete, dass der Wirt zusammen mit seiner Frau das Liebesduett aus dem „Lustigen Italiener“ vortragen würde, war Georg mittlerweile völlig egal.
Otto verweigerte zwar nach dem zweiten Glas das Anstoßen, aber das bemerkte Georg gar nicht mehr. Der Grappa kam ihm gerade recht und er war froh, dass der Wirt die Flasche auf ihrem Tisch stehen gelassen hatte. Die gemeinsame Vorstellung der Felices auf der Bühne stellte tatsächlich eine Steigerung des bislang Dagewesenen dar. Das Publikum tobte, die Italiener forderten eine um die andere Zugabe und die Bärlinger waren inzwischen so
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