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Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition)

Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition)

Titel: Todesfuge: Gerda und Otto Königs zweiter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Wierlemann
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Motorgeräusch in der Garageneinfahrt aus ihren Gedanken gerissen. Sie trat ans Küchenfenster und sah den Kleinwagen und den jungen Mann, der ausstieg. Er war Mitte dreißig, schlank und gutaussehend. Seine Augen hielt er gesenkt, während er mit einem Geigenkoffer in der Hand auf die Haustür zuging. Seine Musikschüler hatte ihr Mann grundsätzlich nur zu Hause empfangen und die Nachbarn waren es gewohnt, dass die Schüler auch zu ungewöhnlichen Zeiten - hin und wieder sogar am Wochenende - die Villa des Dirigenten betraten. Der Unterricht musste sich den Konzertterminen und auswärtigen Engagements unterordnen.
    Michael Schulz war der letzte Schüler, der zu Wellenstein kam, jeden Freitag. Er musste nicht klingeln, die Hausherrin öffnete ihm die Tür. Sie kannten sich schon länger. „Michael, guten Abend. Du findest dich ja zurecht. Mein Mann ist in der Bibliothek.“ Michael begrüßte Esther Wellenstein schüchtern. An ihrem Aufzug schien er sich nicht zu stören, er wagte es allerdings kaum, sie anzusehen. Während die Dame des Hauses zurück in die Küche ging, verschwand der Geigenschüler noch im Gäste-WC und schloss hinter sich ab. Als sich nach kurzer Zeit die Tür wieder öffnete, betrat er, bekleidet nur mit einer blauen Monteur-Latzhose, in die er verschiedene Werkzeuge gesteckt hatte, die repräsentative Eingangshalle der Villa.
    Esther Wellenstein kam aus der Küche, in der Hand trug sie ein Tablett mit der Sektflasche und dem Knabberzeug. Das Spiel konnte beginnen . Sie kannte ihre Rolle auswendig. „Wie gut, dass Sie endlich gekommen sind. Ich weiß mir gar nicht mehr zu helfen. Mein Mann ist handwerklich so ungeschickt, der kann nicht einmal eine Schraube festdrehen.“
    Zusammen mit seiner Kleidung schien Michael auch seine Scheu abgelegt zu haben. Er ließ seine Augen über ihren Körper gleiten, dessen Silhouette sich deutlich unter dem feinen Stoff des Morgenmantels abzeichnete.
    „Wenn Sie mir bitte ins Schlafzimmer folgen würden, junger Mann, dann zeige ich Ihnen, wo das Problem liegt.“
    Als sie an der Bibliothek vorbeigingen, klopfte Esther kurz dreimal gegen die Tür und führte Michael anschließend in das Schlafzimmer im Obergeschoss.
    Esther stellte den Sekt in den Kühler und die silberne Schale auf das Nachttischchen, dann wandte sie sich wieder dem jungen Mann zu, der in der Tür stehen geblieben war. Ihr gefiel die Vorstellung, dass er sie musterte, dass er ihren Körper mit seinen Blicken abtastete. Sie genoss seine zurückhaltende Art. Je weniger er sagte, desto freier war sie in ihren Gedanken. Mit der Zeit hatte sie ihre Rolle immer mehr verfeinert. Sie hatte an ihren Gesten gefeilt, sich Anzüglichkeiten überlegt, die sie beiläufig und wie unbeabsichtigt in ihr Spiel einfließen ließ. Sie beobachtete die Reaktion des jungen Mannes genau und keine Regung blieb ihr verborgen. Sie liebte es, die Eröffnung immer ein wenig länger hinauszuzögern. Nachdem ihr Mann sie vorhin einfach hatte stehen lassen, genoss sie es heute ganz besonders, von dem jungen Mann gemustert zu werden.
    „Vielleicht muss ich auch noch den Installateur rufen. Es ist so warm hier, finden Sie nicht auch?“ Esther strich sich die Haare, die sie seit Jahren sorgfältig nachfärben ließ, aus der Stirn. „Es ist Ihnen doch recht, wenn ich meinen Mantel ablege?“
    Michael nickte nur und schaute zu, wie Esther Wellenstein den Morgenrock von den Schultern gleiten ließ.
    „So, jetzt sollten Sie aber endlich ihre Arbeit machen dürfen. Ich halte Sie nur auf.“ Esther hatte sich auf das Bett gelegt und zeigte ihrem Handwerker, was zu tun war. Michael kam zu ihr; er wusste genau, was von ihm erwartet wurde und hatte gerade mit der Arbeit begonnen, als er von Hans-Peter Wellenstein unterbrochen wurde. Der Dirigent hatte das Zeichen seiner Frau gehört und war den beiden wie verabredet nach einiger Zeit gefolgt.
    Er blieb in der Tür stehen, füllte jedoch den ganzen Raum mit seiner Präsenz. Michael hatte das Bett schnell verlassen und hörte sich die Zurechtweisungen des Hausherrn an. Ob er überhaupt wisse, was er da tue? Ob er schon einmal etwas von der Lust der Frauen gehört habe? Der Dirigent nahm auf dem Sessel am Fußende des Bettes Platz und gab dem jungen Mann seinen Einsatz, um das Präludium nach seinen Vorgaben erneut zu beginnen. Wie von einem imaginären Dirigentenpult wies der Maestro die Musiker vor sich an, seine Vorstellungen umzusetzen. Er brauchte keine Worte, das Ritual war

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