Todesgarten
Entschluss stand fest. Sie würde die Sache
jetzt zu Ende bringen. In ihrer Hosentasche steckte das eingeschaltete Handy.
Ein kurzer Druck auf die Verbindungstaste reichte aus, und schon würde Schöne
im Wagen alarmiert werden. Er hatte auf diese Sicherheitsvorkehrung bestanden.
Sein alter Golf stand ein paar Meter von hier entfernt. Sollte Tom
handgreiflich werden oder sie bedrohen, würde Schöne innerhalb von Sekunden bei
ihr sein.
Wie sollte er da wissen, dass ihr nichts passieren würde?
Anna war ganz sicher: Tom würde ihr niemals etwas antun. Trotz allem, was
passiert war. So weit würde er nicht gehen.
Sie trat ans Kassenhäuschen. Einer der Türsteher erkannte
sie und winkte sie an den Wartenden vorbei. Eines der Privilegien, die sie als
Freundin eines Barkeepers hatte.
Drinnen zuckten Lichter, Körper bewegten sich, Nebel
verschleierte die Sicht. Elke kam ihr entgegen, offenbar auf dem Weg nach
drauÃen. Wie lange mochte es her sein, dass sie und Elke sich vor dem Klub
verabschiedet hatten? Kaum mehr als zwei Stunden. Für Anna fühlte es sich an,
als wäre eine Ewigkeit seitdem vergangen. Elke begrüÃte sie mit einem Kuss auf
die Wange.
»Ich dachte, du wolltest nach Hause.«
»Ja, schon. Aber ich muss noch mal zu Tom. Ich hab was
vergessen.«
Selbst im zuckenden Licht bemerkte Anna, wie blass
Elke war. Blass und unglücklich. Vor zwei Stunden hatte sie noch ganz anders
ausgesehen.
»Ganz schön was los hier, oder?«
»Ja, das stimmt«, sagte Elke. »Ich mach mich mal auf
den Weg nach Hause.«
Gerne hätte Anna sie gefragt, was passiert war. Aber irgendwas
hielt sie davon ab. Vielleicht war ja auch gar nichts. Das zuckende Licht
konnte einen leicht in die Irre führen.
»Musst du morgen früh putzen?«, fragte sie.
»Nein.« Auch das Lächeln wirkte traurig. »Nicht morgen
und auch sonst nie wieder. Ich habe gekündigt.«
»Du hast was? Davon hast du eben gar nichts erzählt.«
»Ich hab einen neuen Job in einer Reinigungsfirma am
Potsdamer Platz. Der Lohn ist in Ordnung, und ich bin dann endlich mal
sozialversichert.«
»Das ist toll«, meinte Anna. »Herzlichen Glückwunsch.
Das heiÃt wohl, nie wieder vollgekotzte Klos putzen, oder?«
»Ja, sieht so aus. Mal sehen, wie es wird.«
Es musste tatsächlich irgendwas passiert sein, aber Anna
hatte weder Zeit noch Energie, sich jetzt damit auseinanderzusetzen. Sie musste
zu Tom, das hatte Vorrang.
»Also dann â¦Â«, sagte Elke.
»Machâs gut. Wir bleiben in Kontakt?«
Ein angedeutetes Nicken. Dann wandte Elke sich ab und
war verschwunden. Anna ging in den Klub hinein. Die lauten Beats trieben ihr
Herz an. Der Raum war bereits voll, obwohl es noch relativ früh war. Es
herrschte gute Stimmung. Nicht mehr lange, und die Ersten würden zum Tanzen auf
die Tische steigen. Die Party war kurz davor, richtig loszugehen.
Sie schob sich durch die Menge zur Theke. Tom war
nicht da. Nur Dinah, die breitbeinig dastand und mit einer Wodkaflasche
jonglierte. Anna überblickte den Barbereich, aber Tom war nirgends zu sehen.
Stattdessen entdeckte sie den Mann, der vor ein paar Tagen mit Michael Schöne
hier am Tresen gesessen hatte und den sie vorhin an der Mauer gesehen hatte. Er
war jetzt allein, sein Freund war fort. Mit hängenden Schultern saà er da und
starrte seine Bierflasche an.
Anna trat näher an den Tresen heran und beugte sich
vor. Dinah entdeckte sie und warf ihr eine Kusshand zu.
»Wo ist Tom? Arbeitet der heute nicht?«
»Doch, doch. Er ist hinten im Lager.« Sie deutete über
die Tanzfläche hinweg in Richtung der Toiletten. »Die Tür ist offen, geh
einfach rein.«
Anna nickte und stieà sich vom Tresen ab. Sie kämpfte
sich durch das Gewühl nach hinten. Hier war die Luft ein bisschen besser, und
sie konnte sich freier bewegen. Vor der Lagertür blieb sie stehen.
Sie hatte Angst. Aber das war ganz natürlich. Sie
hatte allen Grund, aufgeregt zu sein.
Nicht zu viel nachdenken. Bring es einfach hinter dich.
Sie stieà die Tür auf. Der Raum war von hellem Neonlicht
durchflutet. Sie blinzelte. Tom stand in der Mitte des Raums, um ihn herum
Türme aus Bierkästen. Er sah überrascht auf.
»Anna! Was machst du denn hier?«
Er klang fröhlich. Gut gelaunt. Vielleicht machte es
das einfacher.
»Ich muss mit dir reden.«
Er hob den letzten Kasten
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