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Todesgarten

Todesgarten

Titel: Todesgarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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Daran
würde auch die Angst nichts mehr ändern. Mit dem, was im Tiergarten passiert
war, wollte er nicht leben. Es zeigte ihm, wer er wirklich war. Was war er denn
jetzt noch wert? Nichts, gar nichts mehr.
    Er zog sich an der Kloschüssel hoch und setzte sich
auf die Fliesen. Mit dem Rücken lehnte er sich gegen das Metall. Ein paar Mal
atmete er durch. Dann griff er vorsichtig in den Bund seiner Unterhose. Der
schmale Gegenstand steckte im Gummizug. Es war der Streifen eines
Aluminiumfalzes, er stammte von einer Tube Rasiercreme. Dennis hatte im
Waschraum blitzschnell etwas Creme in den Ausguss gedrückt, die Falz abgeknickt
und eingesteckt und dann die Bruchstelle wieder zusammengefaltet. Der Schließer
hatte nichts bemerkt. Er hatte ihn einfach aus dem Waschraum und zurück in
seine Zelle geführt.
    Dennis betrachtete den Aluminiumstreifen. Vorsichtig
drückte er seinen Finger gegen die Spitze. Ein Tropfen Blut bildete sich auf
der Kuppe. Er betrachtete ihn lange, dann steckte er den Finger in den Mund.
Das Blut war warm und schmeckte metallisch.
    Keiner würde je erfahren, was im Tiergarten geschehen
war. Sie wollten ihn wegen Totschlags anklagen. Weder Polizei noch Staatsanwaltschaft
zweifelten dran, dass er es gewesen war. Er war der Mörder von diesem Schwulen.
    Wäre es doch nur so. Hätte er nur die Wahrheit gesagt.
Aber seine Aussage war eine Lüge. Er hatte diesen Typen nicht umgebracht. Er
hatte etwas viel Schlimmeres getan.
    Er atmete schwer, wischte sich den Schweiß von der
Stirn. Du musst deine Angst loswerden. Gegen sie ankämpfen. Du musst zeigen,
dass du ein Mann bist.
    Die Spitze des Aluminiums blitzte im Licht der Deckenlampe.
Nicht mehr lange, dann würde es ausgeschaltet werden.
    Â 
    Â»Zweiundzwanzig Uhr!«
    Annas Kollege beugte sich zu dem jungen Mann, den sie
auf den Rücksitz des Streifenwagens verfrachtet hatten.
    Â»Genau in diesem Moment gehen im Knast die Lichter
aus.« Er sah auf seine Armbanduhr. »Wenn du also mit dem Nachtleben weitermachen
willst, solltest du dir in Zukunft zweimal überlegen, ob du dieses Zeug hier verkaufen
willst.«
    Anna öffnete die Fahrertür und ließ sich seitlich auf
den Sitz fallen. Mit einer Hand nahm sie das Funkgerät.
    Â»Wir haben hier einmal BTM «,
sagte sie. Die Abkürzung für Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz. »Wie’s
aussieht Kokain.«
    Â»Eigenbedarf?«, lautete die knappe Rückfrage.
    Â»Schwer zu sagen. Könnte ein bisschen mehr sein. Wir
haben ihn beim Dealen aufgegriffen. Sollen wir ihn in die Gefangenensammelstelle
bringen?«
    Â»Warte mal. Die Kollegen vom Sondereinsatz BTM und Prostitution sind bei euch ganz in der Nähe. Ich
frag mal schnell bei denen an.« Es knackte in der Leitung, kurz darauf meldete
er sich wieder. »Die sind gleich da und übernehmen. Haltet euch bereit.«
    Anna wollte zum Protest ansetzen, aber da war die Leitung
bereits tot. Sie warf das Funkgerät zurück in die Halterung.
    Â»Wozu sind wir eigentlich ausgebildet worden? Sobald
mehr als ein Verkehrsunfall ist, traut man uns eh nichts mehr zu. Dann kommen
die Damen und Herren Kollegen und übernehmen.«
    Es war ihr egal, dass der junge Dealer mithörte. Sollte
der doch denken, was er wollte. Jürgen, der neben ihm auf der Rückbank Platz
genommen hatte, lächelte.
    Â»Mach dir nichts draus. Das kommt uns doch eigentlich
ganz gelegen. Dann können wir gleich was essen gehen. Ich sterbe nämlich vor
Hunger. Du etwa nicht?«
    Anna spürte zwar immer noch ihren Ärger, trotzdem war
sein Lächeln ansteckend. Sie seufzte.
    Â»Irgendwann wirst du noch an einer deiner fetten
Pommes ersticken«, sagte sie, doch ihre Wut war nun endgültig verraucht.
    Â»An der Leipziger hat ein neuer Imbiss aufgemacht«,
meinte er gut gelaunt. »Sieht aus wie ein Campingwagen mit einem Zelt davor.
Aber alles ganz neu. Da sollten wir mal hingehen, den will ich unbedingt
ausprobieren.«
    Die Kollegen tauchten auf, nahmen ihnen den Gefangenen
ab und verschwanden wieder. Für Anna und Jürgen war der Fall damit so gut wie
abgeschlossen. Mit dem Bericht würden sie sich nicht lange aufhalten.
    Kurz darauf erreichten sie den Imbiss in der Leipziger
Straße. Ein einsamer Anhänger war samt Zeltvorbau am Rand der Parkflächen
platziert. Drumherum die großen Plattenbauten, die das Bild dieses Stadtteils
bestimmten. Anhänger und

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