Todesgarten
hinter sich und
tauchte in die Dunkelheit des nächtlichen Parks ein.
In der StraÃe des 17. Juni suchte er sich einen Parkplatz.
Er nahm sich nicht einmal die Zeit, den Wagen abzuschlieÃen, sondern lief zum
Torhaus und dem dahinter liegenden Eingang zum Park. Erst als er in der plötzlichen
Dunkelheit die Orientierung verlor und gezwungen war stehen zu bleiben, damit
sich seine Augen an die Umgebung gewöhnen konnten, erst da kam er langsam zur
Ruhe.
Sein Puls war leicht erhöht, sein Atem ging unregelmäÃig.
Er riss die Augen weit auf. Zunächst konnte er in der Schwärze nichts erkennen.
Irgendwo raschelte es. Er hörte Schritte, dann ein Flüstern. Auch wenn er
niemanden sehen konnte â er war nicht allein im Park, das war sicher.
Erste Konturen traten hervor. Jetzt konnte er einen
Weg erkennen. Eine Liegewiese, ein Ufer, Wasser und Schilf. Auf dem Hauptweg
stand eine Parkbank, nur wenige Meter von ihm entfernt. Er setzte sich und
atmete durch. Allmählich erkannte er mehr. Zwei Männer gingen den Weg entlang,
hielten dabei ein paar Meter Abstand. Hinter ihm knackten Ãste, ein
unterdrücktes Stöhnen drang herüber. Plötzlich waren die Männer verschwunden,
als hätte sie der Park verschluckt. Bei genauerem Hinsehen machte Michael einen
schmalen Weg aus, der tiefer in den Park hineinführte.
Er verlieà seinen Platz auf der Bank und folgte den beiden
Männern. Zwischen den Sträuchern führte ein Pfad zu einer Holzbrücke.
Gusseiserne Löwen standen auf Sandsteinsockeln und hielten in den Mäulern die
Stahlseile, an denen die Brücke aufgehängt war. Männer schlenderten vorüber,
saÃen auf dem Geländer, warfen sich Blicke zu, folgten einander ins Unterholz.
Michael zögerte. Dann betrat er die Brücke. Die Löwen glotzten ihn ausdruckslos
an. Männer bewegten sich dicht an ihm vorbei.
Da war eine Stimme, die ihn zur Vernunft rufen wollte.
Es gab keinen Grund, hierherzukommen. Er würde Daniel hier nicht finden. Wie
denn auch? Er musste bei Verstand bleiben. Kehr um, sagte die Stimme, fahr
wieder nach Hause.
Ringsherum die fremden Männer. Auf der Brücke gab es
keine Möglichkeit, ihnen aus dem Weg zu gehen. Er glaubte, fremden Atem am Hals
zu spüren. Er hielt sich am Geländer fest und sah sich um. Etwas hielt ihn
zurück, umzukehren. Er wusste nicht, was es war.
Am gegenüberliegenden Ufer bewegte sich ein Schatten.
Es waren die Umrisse eines Mannes. Michael betrachtete ihn. In seinen Bewegungen
lag etwas Vertrautes. Die Art, wie er beim Gehen leicht wankte. Die Haltung
seines Kopfes. Er sah gebannt hinüber. Doch erst, als der Fremde zwischen den
Bäumen verschwunden war, traf ihn die Erkenntnis wie ein Schlag. Diese Haltung.
Der Gang. Es waren die Bewegungen seines Bruders, weiterentwickelt und gereift
zu denen eines Erwachsenen. Als wäre das Daniel gewesen, der da zwischen den
Bäumen abgetaucht war.
Alles um ihn herum war vergessen. Fassungslos starrte
er zu der dunklen Stelle zwischen den Bäumen. Er durfte ihn nicht verlieren.
Vielleicht war alles ja nur ein Missverständnis, und nicht Daniel, sondern ein
anderer lag dort auf dem Tisch in der Rechtsmedizin? Wieder war da die Stimme,
die ihn aufforderte, nach Hause zu gehen. Das kann nicht Daniel sein. Das ist
ein Fremder da am anderen Ufer. Geh nach Hause.
Doch er ignorierte die Stimme, hastete über die Brücke
und lief geradewegs ins Gebüsch, dort, wo der andere verschwunden war. Er
stolperte immer tiefer in die Dunkelheit. Doch von Daniel war keine Spur mehr.
SchlieÃlich blieb er stehen. Schmale Pfade führten in
alle Richtungen. Rundherum nur Sträucher und Bäume. Nichts diente der Orientierung.
Er befand sich in einem Labyrinth. Dieser Mann, sein Bruder, wer immer er war â
er war fort. Er nahm den erstbesten Pfad, lief bis zur nächsten Gabelung und
dann in eine andere Richtung weiter. SchlieÃlich musste er sich eingestehen,
dass er sich verlaufen hatte.
Dann war da wieder der Schatten. Wie aus dem Nichts
tauchte er auf, nur wenige Meter von Michael entfernt. Gerade als er die Suche
abbrechen wollte. Michael vergaà alles andere. Jetzt musste er diesem Mann
folgen. Dieses Mal würde er ihn nicht wieder verlieren. Das schwor er sich.
Â
Wolfgang hatte zu viel getrunken, das stand auÃer
Frage. Aber wer wollte ihm das vorwerfen? Keiner hätte ahnen können, wie sich
der Abend
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