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Todesgarten

Todesgarten

Titel: Todesgarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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ließ sich von
den jungen Typen anschmachten, die rund um den Tresen hockten. Auch wenn er so
tat, als würde er das gar nicht bemerken – Anna wusste genau, ihm entging
nichts. Er prägte sich jedes Gesicht ein und jeden sehnsuchtsvollen Blick. Nur
für sie hatte er keine Augen. Sie war für ihn schlichtweg unsichtbar.
    Du eitler Gockel, dachte sie. Jetzt war sie wieder
seine blöde Freundin, die Polizistin. Wenn sie ihm nicht gerade aus der Klemme
half, war sie ihm nur lästig.
    Dabei war vor wenigen Stunden noch alles anders gewesen.
Da hatte er sie an seiner Tür empfangen und war völlig ausgehungert gewesen
nach ihr. Er hatte sie mit Küssen überdeckt, sie ins Schlafzimmer gezerrt und
sie auf eine Weise geliebt, die ihr das Gefühl gab, sie wäre der einzige Mensch
auf der Welt. Aber jetzt schien alles wieder vergessen, ganz so, als hätte es
diese Stunden niemals gegeben.
    Sie war es so satt. Seine Launen, die Täuschungen und
vor allem das ewige Versteckspiel, als müsse er sich dafür schämen, eine Frau
zu lieben und keinen Mann. Am Nachmittag war sie sich noch so sicher gewesen.
Und jetzt saß sie hier in diesem gottverdammten Klub und musste sich von ihm
ignorieren lassen.
    Hoffentlich traf Elke bald ein. Diese freundliche und
stille Frau, die hier putzte. Dann würde sie zumindest von ihm abgelenkt
werden. Dann wäre einer da, mit dem sie reden konnte, und ihre Blicke würden
nicht mehr ständig zur Theke wandern.
    Am Ende des Tresens entdeckte sie zwei Männer, die mit
ernsten Gesichtern dasaßen und miteinander sprachen. Der eine kam ihr bekannt
vor. Schwarze Haare, ein blasses Gesicht und dunkle Schatten unter den Augen.
Da fiel es ihr ein. Das war Michael Schöne, ein Kommissar bei der
Mordkommission. Sie hatten sich vor einigen Monaten bei einem Einsatz kennengelernt.
    Sein Begleiter rutschte vom Barhocker, ging zum Eingang
und begrüßte dort jemanden mit einem Kuss. Die beiden vertieften sich in ein
Gespräch, und Schöne saß jetzt alleine am Tresen. Anna zögerte, dann setzte sie
sich in Bewegung und ging auf ihn zu. Sie begrüßte ihn mit einem Lächeln.
    Â»Michael Schöne«, stellte sie fest. »Sechste Mordkommission
unter Wolfgang Herzberger.«
    Er sah überrascht auf. Es arbeitete in seinem Kopf,
doch er erkannte sie offenbar nicht wieder.
    Â»Proschinski«, half sie ihm auf die Sprünge. »Anna
Proschinski, Polizeimeisterin im Abschnitt 32. Erinnern Sie sich an den
Mordfall Nowack? Wir sind uns am Alexanderplatz ein paar Mal begegnet. Ich war
bei der Objektsicherung eingeteilt.«
    Sein Gesicht hellte sich auf. »Proschinski, natürlich.
Tut mir leid, dass ich Sie nicht sofort erkannt habe.«
    Â»Das liegt an der Uniform. Viele erkennen uns nicht,
wenn wir Zivil tragen.«
    Â»Mag sein.« Er lächelte.
    Eine Pause entstand. Beide schienen nicht recht zu wissen,
was sie sagen sollten. Anna durchbrach das Schweigen.
    Â»Ich habe hier schon häufiger Kollegen getroffen. Es
gibt viel mehr Lesben und Schwule bei der Polizei, als man denken würde.«
    Er war irritiert. »O nein … ich … das ist ein Missverständnis.
Ich bin beruflich hier. Nicht … wie Sie denken.«
    Â»Der Mordfall Treczok!« Sie schlug sich gegen die
Stirn. »Natürlich. Manchmal habe ich aber auch ein Brett vorm Kopf. Ich wollte
nicht unterstellen, Sie wären schwul.«
    Er winkte ab. »Schon gut. Kannten Sie ihn? Daniel
Treczok, meine ich.«
    Anna begriff plötzlich. Sie musste vorsichtig sein.
»Nein, nur vom Sehen. Er war hier Barkeeper, mehr weiß ich auch nicht.«
    Sie hätte sich ohrfeigen können. Der Mann war beruflich
hier, weshalb war sie nicht gleich darauf gekommen? Und jetzt fragte er sie
aus. Wenn er erfuhr, dass sie mit dem Barkeeper zusammen war, würde er eins und
eins zusammenzählen. Bestimmt hatte die Mordkommission bereits von der
missglückten Razzia erfahren. Die Drogenfahndung suchte immer noch nach der
undichten Stelle. Wenn er das herausfände, war es nur noch eine Frage der Zeit,
bis alles aufflog.
    Â»Wissen Sie etwas über sein Privatleben? Bestimmt gab
es Geschichten und Gerüchte.«
    Sie durfte keinen Verdacht erregen. Er sollte glauben,
sie wäre einfach nur ein Partygast.
    Â»Nein. Ich komme nur ab und zu hierher, um mich zu
amüsieren. Um Frauen kennenzulernen. Das Personal interessiert mich da nicht.
Schon gar nicht

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