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Todesgarten

Todesgarten

Titel: Todesgarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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hatte sich
nicht verletzt. Dann nahm sie die Schachtel und betrachtete sie näher. Es war
ein Adventskalender. Sie erinnerte sich, wie Daniel ihn im vergangenen Jahr
hier aufgestellt hatte. Solche Gesten waren typisch für ihn. Überraschungen und
kleine Geschenke für alle. Er hatte noch einen Zettel drangeklebt: Finger weg, ihr nassen Muschis, nicht vor dem ersten Dezember
öffnen. Aber natürlich war die Schokolade schon lange vorher geplündert
worden, Daniel hatte wohl mit nichts anderem gerechnet.
    Trauer senkte sich bleischwer über sie. Daniel war ein
so herzensguter Mensch gewesen. Was für ein Verbrechen war es, einen wie ihn zu
ermorden. Sie fragte sich: Wer wählte die aus, die sterben mussten? Warum waren
es Menschen wie Daniel, die von allen geliebt wurden? Wo es doch so viele gab,
denen keiner nachweinen würde, wenn sie plötzlich nicht mehr wären. Und noch
etwas fiel ihr ein: Würde auch von ihr ein Foto neben die Kassenlade gesteckt
werden, wenn ihr etwas passierte?
    Sie zog sich die Putzhandschuhe an und ließ Wasser in
den Eimer laufen. Hoffentlich war Daniel jetzt in einer besseren Welt. Dann
hatte er die Strapazen dieser hier wenigstens hinter sich gebracht.
    Die schwere Brandschutztür fiel ins Schloss. Elke sah
überrascht auf. Das musste Peter sein. Hoffentlich war er nicht sauer, weil
noch nicht geputzt war. Es ertönten Stimmen im Durchgang. Peter war nicht
allein, es klang so, als wäre Tom bei ihm. Sie wollte sich gerade bemerkbar
machen, doch dann zögerte sie.
    Â»Mir ist nicht wohl dabei«, sagte Peter gerade. »Was
ist, wenn deine Freundin sich plötzlich daran erinnert, dass sie Polizistin
ist?«
    Â»Anna ist in Ordnung. Du kannst dich auf sie verlassen.«
    Â»Trotzdem. Mir gefällt das nicht. Sie ist einfach ein
Risiko, und Risiken möchte ich bei dieser Sache vermeiden.«
    Peter hielt inne. Er war jetzt an der Tanzfläche und bemerkte
wohl das eingeschaltete Putzlicht.
    Seine Stimme drang durch den Klub. »Elke?«
    Sie fühlte sich ertappt. Stellte den Putzeimer ab und
trat vor die Tür.
    Â»Ich bin hier, bei den Klos.«
    Â»Ich hatte gar nicht mit dir gerechnet.«
    Â»Ich bin etwas spät dran. Tut mir leid. Mir ist was dazwischengekommen.«
    Er musterte sie, als überlegte er, ob sie etwas gehört
haben konnte. Dann wandte er sich ab.
    Â»Also gut, mach dich an die Arbeit. Tom und ich sind
oben im Büro.«
    Sie verschwanden über die Treppe ins Dachgeschoss.
Elke atmete durch. Sie hatte ja gar nicht lauschen wollen. Je weniger sie über
Peters Geschäfte wusste, desto besser für sie. Außerdem gab es wichtigere
Dinge, über die sie nachdenken musste.
    Sie beschloss, Dinah in den nächsten Tagen abends
während der Schicht zu besuchen. Das machte ihr zwar Angst, aber sie musste
Klarheit bekommen, ob die Barfrau etwas für sie empfand.
    Mit einem Seufzer griff sie zum Putzeimer und machte
sich an die Arbeit.
    Â 
    Die beiden Streifenpolizisten fuhren wortlos durch die
Plattenbausiedlung. Begleitet wurden sie vom Rauschen aus dem Funkgerät. Immer
wieder mischten sich Wortfetzen hinein. Kurze Gespräche: Die Leute von der
Zentrale riefen Wagennummern auf und vergaben Einsätze. Andere trafen über Funk
schon mal inoffizielle Verabredungen für den Feierabend. Dann wieder das
Rauschen, in dem eine seltsame Einsamkeit mitschwang hier draußen zwischen den
Plattenbauten.
    Anna blickte aus dem Fenster und ließ die Häuser an
sich vorbeiziehen. Es war eine ungewöhnlich ruhige Schicht. Bisher nur ein paar
leichte Verkehrsunfälle und ein Kätzchen, das auf einem Baum feststeckte.
    Jürgen verhielt sich, als wäre es völlig normal, dass
sie nur aus dem Fenster starrte und kein Wort mit ihm wechselte. Dabei redeten
sie für gewöhnlich eine Menge, wenn sie zusammen auf Streife waren. Jürgen
wurde im Revier nur »das Waschweib« genannt, und viele konnten sein ständiges
Gerede nicht ertragen. Anna jedoch hörte seinem Tratsch gern zu. Sie war eine
der wenigen, die sich weder an seiner Geschwätzigkeit störten noch an seiner
Gefräßigkeit. Sie hätte vermutet, Jürgen würde an einem Tag wie diesem einfach
weiterreden, aber das Gegenteil war der Fall. Er schien ihre Stimmung genau zu
erspüren und schwieg ebenfalls.
    Gut acht Stunden war es jetzt her, dass Anna in Toms
Truhe gewühlt hatte. Natürlich war es ein

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