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Todesgarten

Todesgarten

Titel: Todesgarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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und sie dazu bringen, sich wieder zu beruhigen.
    Ihre Gedanken drifteten zurück zu den Geheimnissen in
Toms Truhe. Die wenigen Dokumente und Erinnerungen zeugten von zwei völlig
unterschiedlichen Leben. Zum einen war da das Leben, das Tom jetzt führte und
das aus Konsumentenkrediten, Gerichtsvorladungen und Abschiedsbriefen bestand.
Aber dann war da noch dieses andere Leben, das im Verborgenen lag. Thomas
Bertold Koschnik: Fotos eines braven Jungen, gute Schulzeugnisse und
Sporturkunden. Ein Foto zeigte ihn mit Schultüte vor einer Steglitzer
Grundschule, ein anderes bei seiner Konfirmandengruppe, mit gescheiteltem Haar.
Dann war da sein Ausbildungszeugnis. Tom war tatsächlich einmal Bankkaufmann
gewesen. Bei der Berliner Sparkasse. Kaum vorstellbar.
    Wie war es zum Bruch gekommen? In den wenigen Unterlagen
gab es keine Erklärung dafür. Nur ein Datum. Am 5. Mai, vor sieben Jahren,
hatte er bei der Sparkasse gekündigt. Einfach so, ohne Begründung. Damals war
Tom zwanzig gewesen. Ein halbes Jahr nach dem Ende seiner Ausbildung. Was war
passiert?
    Jürgen tauchte auf. Er beugte sich durch die offene Fahrertür
ins Wageninnere. Der verwahrloste Mann war nirgends mehr zu sehen. Jürgen hatte
es geschafft, ihn zum Weitergehen zu bewegen.
    Â»Verdammter Irrer«, flüsterte er, aber Anna wusste, er
liebte seine Verrückten insgeheim.
    Sie lächelte. »Brauchst du mich?«
    Â»Ach was.« Er zog ein Formular hervor und trat zurück
auf die Straße. »Sooo!«, sagte er langgezogen. »Dann wollen wir mal, meine
Herren!«
    Die beiden Anzugträger warfen sich einen Blick zu.
    Â»Wir haben eigentlich schon alles geregelt«, begann
der eine.
    Â»Ist ja auch nicht viel passiert«, schob der andere hinterher.
»Wir dachten … nun ja … vielleicht ginge es auch ohne Polizei?«
    Jürgen blieb stehen, hob die Hände und machte einen
Schritt rückwärts.
    Â»Wenn das so ist. Dann habe ich hier nichts gesehen.«
Er ging rückwärts und mit erhobenen Händen zum Streifenwagen. »Wir sind nie
hier gewesen.«
    Er zwinkerte Anna zu und setzte sich hinters Steuer.
    Â»Faule Sau«, sagte sie mit einem Lächeln.
    Â»Möchtest du einen zusätzlichen Bericht schreiben?«
    Â»Ist ja schon gut.«
    Â»Außerdem: Hast du gar keinen Hunger?«
    Sie lachte, und er grinste zufrieden. »Ich sterbe vor
Hunger, du etwa nicht? Komm schon, heute darfst du dir einen Imbiss aussuchen.«
    Sie warf einen Blick auf die Uhr. Es war Viertel vor
acht. Noch eine gute Stunde, dann würden sie an die Spätschicht übergeben.
    Wenn sie sich beeilte, konnte sie es noch schaffen. Einen
Versuch wäre es wert.
    Â»Wie wär’s mit deinem Lieblingsimbiss in der Lützowstraße,
Jürgen?«
    Â»Gerne. Aber vielleicht bleiben wir besser im Abschnitt?«
    Â»Ich würde eigentlich lieber zur Lützowstraße. Ich
brauche dich heute für was.«
    Er schien nicht überrascht. Den Blick auf die Straße gerichtet,
fragte er: »Was kann ich tun?«
    Â»Du kennst doch die Sparkassenfiliale auf der Potsdamer
Straße. Das ist nur einen Steinwurf von deinem Imbiss entfernt. Kannst du mich
da absetzen und etwas später wieder abholen? Wenn wir uns beeilen, schaffen wir
es bis zwanzig Uhr. Die haben heute nämlich länger geöffnet.«
    Jürgen zögerte. Es sah aus, als würde er gerne mehr erfahren.
Aber dann nickte er knapp.
    Â»Kein Problem«, sagte er und trat aufs Gas.
    Â 
    Ein paar Minuten vor acht betrat Anna das ruhige Halbdunkel
der Geschäftsräume. Dunkles Mahagoni bestimmte das Bild, ein Springbrunnen
plätscherte. Eine Angestellte mit Goldrandbrille wurde auf sie aufmerksam. Anna
war sich der Wirkung ihrer Uniform bewusst.
    Â»Guten Tag. Proschinski mein Name. Ich müsste Ihnen
eine Frage zu einem ehemaligen Mitarbeiter stellen. Wäre das möglich?«
    Â»Natürlich. Ist denn etwas passiert?«
    Â»Der Mitarbeiter heißt Thomas Koschnik und hat vor
sieben Jahren hier gearbeitet. Können Sie mir da weiterhelfen?«
    Â»Leider nein.« Sie sah sich beunruhigt um. »Warten Sie
bitte.«
    Dann eilte sie zu einem älteren Herrn, der an einem
Stehpult Daten in einen Computer eingab. Sie flüsterte ihm etwas zu, und der
Mann betrachtete Anna von oben bis unten.
    Dann kam er zu ihr und stellte sich vor. Mit sorgenvoller
Miene überblickte er die letzten Kunden, die sich in

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