Todesgeil
sie als Waffe benutzte, sehr effektiv. Er hatte sich verletzlich gefühlt, eine weitere unvertraute, unangenehme Erfahrung. Doch er war es nicht gewohnt, Lulu zu widersprechen, und wie stets hatte sie recht behalten. Das Mädchen griff ihn nicht an. Und das zu begreifen war gar nicht so leicht. Sie hätte ihm ohne Weiteres eine ernsthafte Wunde zufügen, ihn womöglich sogar töten können. Weshalb also hatte sie es nicht getan?
»Ich habe dir doch gesagt, Zeb: Sie ist wie du. Und tief im Innern weiß sie es.«
Im Spiegel tauchte ein neues Bild auf. Lulu hatte Gestalt angenommen und stand kaum einen Meter hinter ihm. Er wandte sich um und sah sie an, die Arme über der Brust verschränkt, den Hintern an den Rand des Waschbeckens gelehnt. »Ja, das erzählst du mir schon die ganze Zeit. Aber bisher habe ich nichts davon gesehen.«
Lulu lächelte. »Das wirst du schon noch, und zwar bald.«
Das war eine weitere Sache, die er nur schwer akzeptieren konnte. Bis gestern war Lulu lediglich eine körperlose Stimme in seinem Kopf gewesen. Völlig real, das war ihm klar, aber es hatte nie Anzeichen dafür gegeben, dass ihre Existenz auch eine physische Komponente hatte. Bis sie gestern Abend, nachdem das Mädchen endlich in Schlaf gesunken war, einfach so aus dem Nichts aufgetaucht war. Das hatte ihm wirklich Angst eingejagt. Dabei hatte Zeb in seinem ganzen Leben nie vor irgendetwas Angst gehabt. Im einen Augenblick saß er noch auf der Bettkante, rauchte eine Zigarette und dachte nach, und im nächsten war sie – peng! – einfach da.
Lulu glich Adrienne Barbeau bis aufs Haar, einer Schauspielerin, die er aus B-Filmen kannte, die er als Jugendlicher im Kabelfernsehen gesehen hatte. Sie trug einen winzigen blauen Bikini und eine Halskette aus vertrockneten menschlichen Ohren. Der Aufzug war bizarr, aber es war ihre unheimliche Ähnlichkeit mit der Schauspielerin, die ihn anfangs glauben ließ, es handle sich um eine Wahnvorstellung. Darum hatte er, ausgehend von der Theorie, dass eine Halluzination keinerlei physische Substanz hat, nach einer ihrer riesigen Brüste gegrapscht. Unter seinen forschenden Fingern hatte sie sich ziemlich real – und angenehm nachgiebig – angefühlt. Die darauf folgende Ohrfeige ebenfalls.
Sie sah genauso aus wie am Abend zuvor, nur dass sie nun anstelle eines blauen einen roten Bikini trug.
»Glaubst du wirklich, dass sie eine Killerin ist?«
»Sie hat doch Clyde umgebracht, oder?«
Zebs Miene verdüsterte sich. »Ja. In Notwehr. Das ist was anderes. Ich habe ihr eine Chance gegeben, sich zu beweisen, und sie konnte es nicht tun.«
Lulu gab einen glucksenden Laut von sich und schüttelte den Kopf. »Weil du ihr das falsche Opfer ausgesucht hast. Du musst jemanden finden, den sie gerne umbringen würde, dann wird sie es tun. Sie wird es tun und es wird ihr gefallen. Du wirst schon sehen. Und dann wirst du einen neuen Partner haben, und zwar einen besseren als vorher.«
Zeb legte die Stirn in Falten. »Clyde war doch ganz in Ordnung. Er war mein Freund.«
»Er war ein widerliches, abstoßendes Stück Scheiße.«
»So? Das würden die meisten Leute auch von mir behaupten.«
Lulu lachte. »Und sie hätten recht damit. Du fickst Leichen und du isst Menschenfleisch. Du bist der absolute Inbegriff alles Abstoßenden, Zeb. Aber es gibt einen Unterschied. Clyde war nichts Besonderes. Du dagegen schon. Und dieses Mädchen ebenfalls.«
»Das ist noch so etwas, was du dauernd sagst und was ich nicht kapiere. Inwiefern besonders?«
Erneut lächelte Lulu. »Das darf ich dir noch nicht sagen. Es gibt ein paar Dinge, auf die musst du schon selber kommen. Wenn die Zeit reif ist, wirst du es verstehen.«
»Ich will sie wirklich ficken.«
Lulus Lächeln verschwand. »Das darfst du nicht.«
»Warum nicht?«
Sie ging auf ihn zu und stieß ihm den Finger gegen die Brust, sodass ihr langer Nagel ihm die Haut ritzte. »Kein Wort mehr davon, Zebulon. Das Mädchen ist etwas Besonderes. Mehr brauchst du nicht zu wissen. Du wirst sie nicht dazu zwingen.«
»Was, wenn ich einfach nicht anders kann?«
Lulu langte zu ihm hinauf und drückte ihm mit der Hand die Kehle zu. Mit erstaunlicher Leichtigkeit zwang sie ihn in die Knie und beugte sich dicht über ihn. Ihre Hand war wie ein eisernes Band um seinen Hals. Er rang nach Atem, während sie sagte: »Wenn du sie vergewaltigst, werde ich dich bestrafen. Und danach verlasse ich dich. Du wirst mich nie wiedersehen und auch nie mehr meine Stimme hören.
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