Todesglocken für John Sinclair
Stöhnen.
Der Kerl sprach, und er redete so, wie ich es mir vorgestellt hatte. »Hört ihr die Glocke, Mädchen? Hört ihr sie? Es ist herrlich. Ich habe darauf gewartet. Als ich das Klingen vernahm, durchzuckte es mich wie ein Stromstoß, denn ich wußte, daß die Zeit reif ist. Endlich ist sie reif, und endlich ruft er nach mir. Wißt ihr, wen ich meine, ihr miesen Weiber? Wißt ihr das?« Da er keine Antwort bekam, sprach er weiter. »Es ist der Teufel. Ich habe ihn schon immer geliebt, aber durch die Glocke hat er sich mir offenbart. Es ist sein Signal. Jeder Ton, jeder Klang ist seine Sprache. Und jetzt ist es soweit. Ich tue ihm den Gefallen, den er von mir verlangt. Ich werde euch der Reihe nach töten. Jawohl, erschießen werde ich euch…«
Dieser Mann war eine lebende Zeitbombe. Er stand unter einem so großen Druck, daß er für den realen Hintergrund des Lebens längst die Übersicht verloren hatte. Der würde nur den Gesetzen der Schwarzen Magie gehorchen. Wie schlimm und menschenverachtend die waren, hatte ich leider schon oft genug erleben müssen.
Okay, die Girls hier stammten nicht aus einem Kloster. Sie waren Sohoschwalben und konnten schon einiges vertragen. Der Umgang mit ihren Zuhältern hatte sie hart gemacht, aber jetzt stand die Angst in ihren Gesichtern fast plastisch zu lesen. Sie hatten auch nur Augen für diesen Killer und seine Geisel.
Zur Tür hin und damit in meine Richtung schauten sie nicht. Diese Tatsache kam mir sehr gelegen. So würden sie mich nicht durch irgendwelche Reaktionen verraten. Aber was sollte ich tun? Daß der Kerl das Mädchen töten würde, lag auf der Hand. Er hatte etwas versprochen, das mußte er halten, um vor dem Teufel, vor sich und den übrigen Mädchen das Gesicht zu wahren. So schlimm sich dies auch anhörte.
Die Mündung des Schalldämfers hatte mit der straff gespannten Nackenhaut Kontakt bekommen. Wenn ich ihn jetzt ansprach, egal, ob leise oder laut, konnte er überreizt reagieren und völlig die Kontrolle verlieren. Dann war auch das Mädchen nicht mehr zu retten. Ich befand mich in einer höllischen Zwickmühle und wartete auf die Worte des anderen.
Die sprach er auch. »So«, sagte er mit heiserer Stimme. »Jetzt habe ich genug geredet. Ich fühle den Teufel in mir. Durch den Glockenklang hat ein Stück von ihm von mir Besitz ergriffen. Er hat sich bei mir gemeldet, und er wird sich weiterhin bei mir melden.«
Das war die Gelegenheit!
»Richtig, ich bin hier!«
Eigentlich war es lächerlich, was ich getan hatte. Aber es erschien mir die einzige Möglichkeit zu sein, diesen Mann so zu überraschen, daß er nicht durchdrehte und abdrückte. Zudem hatte ich mit einer rauh klingenden und sehr tiefen Stimme gesprochen.
Mein Bluff gelang!
Er hatte die Worte kaum vernommen, als er sich drehte, hochschwang und auch die Waffe vom Hals des Mädchens löste. Sie glitt dabei zwangsläufig in meine Richtung, doch ich war schneller. Für einen Augenblick nur war das blasse Mündungsfeuer zu sehen. Dann jagte das geweihte Silbergeschoß in seine rechte Schulter und schleuderte den Waffenarm zurück. Sein hochrotes Gesicht änderte sich von einem Moment zum anderen. Es verlor die Farbe, wurde blaß, dann regelrecht bleich, und sein Arm schien plötzlich zu einem anderen Körper zu gehören, ebenso die Waffe. Die warf er weg, weil er sie nicht mehr halten konnte. Der Ann blieb an seiner Schulter, aber er hing steif nach unten.
Ich kam vor.
Die Mädchen sagten nichts. Sie hockten auf ihren Liegen und staunten. Eingefroren schienen sie zu sein, dabei herrschte in diesem Raum eine schwüle Hitze.
»Seid ruhig«, sagte ich nur. »Seid ruhig und bewegt euch nicht.« Ich hoffte, daß sie mir gehorchten und schritt langsam vor. Meine Bewegungen wirkten wie verzögert, als ich auf denjenigen zuging, der dicht vor einem Mord gestanden hatte.
Er starrte mich an. Die rechte Seite in seinem Gesicht schien steif geworden zu sein, während die linke zuckte und aus einem Auge Tränenwasser über die Wange rann.
»Was haben Sie sich dabei nur gedacht?« fragte ich. »Was, verdammt noch mal?«
Er sprach. Und redete fast wie ein kleines Kind, einen so starken Schock hatte er bekommen. »Der Teufel!« flüsterte er. »Es war der Teufel. Er hat mich gerufen. Hörst du nicht die Glocke? Vernimmst du nicht ihr Läuten? Jetzt ist es soweit. Wir sind gerufen, um dem Teufel zu dienen.«
Dann verzog er das Gesicht vor Schmerz, begann zu stöhnen und gleichzeitig zu wanken.
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