Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesgott

Todesgott

Titel: Todesgott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Árni Thórarinsson
Vom Netzwerk:
vielschichtiger werden muss, unter besonderer Berücksichtigung von »Maßnahmen im Bildungs- und Forschungssektor, im Gesundheitswesen, im Tourismus und in der Nahrungsmittelindustrie, in einer familienfreundlichen Gesellschaft, deren Anziehungskraft aus einem guten Dienstleistungssektor, vielfältigen Bildungsmöglichkeiten und einem hohen Freizeitwert besteht, vor dem Hintergrund eines vielschichtigen, hochentwickelten, spezialisierten und konkurrenzfähigen Arbeitsmarktes mit starken internationalen Kontakten …« Und dadurch, genau dadurch werde die Zahl der Einwohner und der Arbeitsplätze jährlich durchschnittlich um 2,3 Prozent ansteigen, so dass sich die Einwohnerzahl der Region Eyjafjord bis zum Jahr 2020 verdoppeln, das heißt auf cirka 30 000 ansteigen werde. Überschrift:
    ZUKÜNFTIGE MASSNAHMEN VON WELTRANG
    »Ich glaube, das ist der fünfte oder sechste Vertragsabschluss über die Regionalentwicklung, seit ich hier bin«, stänkerte mein Kollege vom
Morgenboten
, der in Akureyri ein alter Hase ist. »Jedes Mal wird er mit Pauken und Trompeten präsentiert und dann in die Schublade gesteckt. Wird leider immer so teuer, wenn’s ans Zahlen geht.«
    Wer weiß?, denke ich. Die Parlamentswahlen in ein paar Wochen können Wunder bewirken.
    Zusätzlich zu dieser Nachricht schicke ich noch eine bemerkenswerte Meldung über die Kriminalität in Akureyri in die Hauptstadt. Randalierer haben aus purer Zerstörungswut Bänke demoliert, auf denen die Einwohner von Akureyri ihre müden Knochen ausruhen konnten. Die Stadtverwaltung hat kein Geld, die cirka fünfzig Bänke, die in der ganzen Stadt verteilt sind, zu erneuern. Ich tippe folgende Schlagzeile:
    BERSERKER BESCHÄDIGEN BÄNKE
    Und schalte dann den Computer aus.
     
    »Gibt’s hier eigentlich keine echten Verbrechen, Aðalheiður?«
    »Nenn mich einfach Heiða.«
    Aðalheiður Heimisdóttir, Chefredakteurin und Herausgeberin der
Akureyri-Post
, hebt ihre fein manikürte Hand mit den langen Fingernägeln, die passend zu ihrem Kostüm blau lackiert sind, führt die Gabel mit Spaghetti und einem Stück Heilbutt zu ihren rotgeschminkten Lippen und schiebt den Bissen anmutig zwischen ihre weißen Zähne.
    Gabeln sind wirklich zu beneiden.
    Sie ist in meinem Alter, ziemlich klein und rundlich, mit dickem, rotem Haar bis auf die Schultern und einer kleinen Hornbrille auf der Stupsnase. Ich finde sie entzückend.
    »Das ist ein ausgezeichnetes Restaurant«, sage ich beim Schlucken. »Kreativ und ambitioniert.«
    »Stimmt«, sagt Jóa und knackt Hummerschwänze, als würde sie dafür bezahlt. »Könnte in Reykjavík nicht besser sein.«
    Aðalheiður schaut abwechselnd von einem zur anderen, so als seien wir Kindergartenkinder. »Wie kommt ihr bloß darauf, dass kulinarische Kreativität und Ambition auf Reykjavík begrenzt sein müsste? Gibt es anderswo nicht auch Entwicklungen? Zum Beispiel in Paris und Barcelona?«
    Jóa und ich schauen uns beschämt an. Und schweigen.
    Wir haben uns beide schick gemacht und tragen zufälligerweise fast dasselbe. Schwarze Anzüge und weiße Hemden. Sie trägt Krawatte, ich nicht. Jóa ist trotz ihrer Stämmigkeit eine sehr attraktive Frau. Ihr klares, ungeschminktes Gesicht ist von kurzgeschnittenem, dunkelblondem Haar umrahmt, und sie hat einen schön geschwungenen Mund.
    Der weiße Speisesaal des Friðrikur V., das nach dem Koch und Besitzer, nicht nach dem dänischen König benannt ist, ist vollbesetzt. An etwa der Hälfte der Tische wird Isländisch gesprochen, die andere Hälfte ist eine disharmonische Symphonie verschiedener Sprachen; schließlich hängt die zukünftige Entwicklung der Region von starken internationalen Kontakten ab.
    »Bei uns gibt es natürlich dieselben Verbrechen wie in der Hauptstadt«, sagt Aðalheiður schließlich. »Eben nur weniger. Einbrüche, Diebstähle, Schlägereien, Vergewaltigungen und Körperverletzungen nur am Wochenende. Mord und Totschlag noch seltener. Prostitution kaum. Die meisten Verbrechen sind Drogendelikte, und die nehmen rasant zu. Die jungen Leute finden es mittlerweile ganz normal, ab und zu Ecstasy zu nehmen oder bei Partys Kokain oder Speed zu schnupfen.«
    »Darüber habe ich aber, seit ich hier bin, nicht viel in den Polizeinachrichten gelesen«, sage ich.
    »Du hast doch bestimmt gehört, dass die Einwohner Bürgerinitiativen gegen Gewalt gegründet haben, als es ihnen zu weit ging. Das hatte schon Einfluss, und man kann nur hoffen, dass sich dadurch die Einstellung

Weitere Kostenlose Bücher