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Todesgott

Todesgott

Titel: Todesgott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Árni Thórarinsson
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Krankenhaus?«
    »Nein, nein, nein. Rúna hat Raggi und mich über Ostern nach Kopenhagen eingeladen. Da war heute Morgen so ein Supersonderangebot. Die Maschine geht heute Nachmittag.«
    Mein Herz rutschte ungefähr eineinhalb Meter in die Tiefe.
    »Hallo? Hallo? Papa?«
    »Ja, ich bin noch dran«, ächzte ich. »Ich bin hier irgendwo.«
    »Verzeih mir, Papa«, sagte Gunnsa mit sanfter Stimme. »Ich war noch nie in Kopenhagen. Ich möchte soooo gern fahren! Du warst doch schon mal da, oder?«
    »Was? Ja, aber erst mit achtzehn.«
    »Damals war das ja auch was anderes. Da gab’s noch keine Supersonderangebote.«
    Ich sammelte meine Einzelteile vom Boden des Schranks wieder zusammen. »Nein, damals gab’s bestimmt noch keine Supersonderangebote.«
    »Mama hat gesagt, sie hätte nichts dagegen. Bitte, sag, dass du auch nichts dagegen hast!«
    »Aber du warst doch auch noch nie in Akureyri«, schmeichelte ich ihr.
    »Nee, aber das kann warten. Akureyri ist schließlich in Island.«
    »Hier gibt es jede Menge dänische Häuser.«
    Gunnsa kam aus dem Konzept. »Dänische Häuser?«
    »Ja, alte dänische Häuser.«
    »Du machst Witze.«
    »Oder Häuser im dänischen Stil. Sie sind sehr hübsch.«
    Gunnsa fing an zu lachen. »Häuser im dänischen Stil in Akureyri! Du bist manchmal wirklich komisch, Papa!«
    Ich wollte ihr erzählen, dass es in Akureyri auch einen Rathausplatz gibt. Sogar einen Stroget – die einzige Fußgängerzone in Island. Aber ich spürte, dass ich eine weitere Schlacht verloren hatte. »Also dann, Gunnsa, von meiner Seite aus ist alles okay. Aber ich hab mich ehrlich gesagt tierisch auf dich gefreut.«
    »Ich komme dich ganz bald besuchen. Versprochen!«
    »Na gut. Ihr fahrt also zu dritt nach Kopenhagen?«
    Gunnsa zögerte und sagte dann: »Ja, wir drei und ein Typ, den Rúna kennengelernt hat.«
    Diesmal zögerte ich und sagte dann: »Guten Flug und viel Spaß. Aber hütet euch vor dem Hafenviertel!«
     
    Das Schlimmste, was passieren konnte, ist eingetroffen.
    Ich sitze wie gelähmt in meinem Schrank, das Telefongespräch mit meiner Tochter hängt wie ein Anker an meinem Hals, Selbstmitleid und Enttäuschung zerreißen mich.
    Ich versuche, mich wieder aufzubauen: Das ist nicht das Schlimmste, was passieren konnte. Gunnsa ist nicht tot. Sie ist quicklebendig, glücklich und zufrieden und fährt über Ostern mit ihrem Freund nach Kopenhagen. Wäre ich mit fünfzehn nicht auch lieber mit meiner Freundin nach Kopenhagen gefahren, als meinen alten Vater in Akureyri zu besuchen? Allerdings hatte ich mit fünfzehn noch keine Freundin. Mein Vater lebte auch nicht in Akureyri. Ostern war eine Zeit des Leidens und nicht der Supersonderangebote. Und dennoch liegt die Antwort auf die Frage so nahe wie der Giebel des Nachbarhauses.
    Nein, das Zweitschlimmste, das passieren konnte, ist eingetroffen.
    Und dann diese Sache mit Rúna und irgendeinem Typen. Warum nagt die Eifersucht an mir? Immer dieser verdammte Egoismus. Egoismus und Dreistigkeit.
    Einar, du bist egoistisch und dreist, sage ich zu dem unbekannten Mann, der sich im Computerbildschirm spiegelt.
    Er antwortet nicht.
    Du bist ein freier Mann, fahre ich fort. Genieß deine Freiheit. Hier in Akureyri. Zu Ostern.
    Da antwortet der Mann auf dem Bildschirm: Genieß das Leiden.
    Aua.
     
    Wer weiß, ob sich hier in Akureyri zu Ostern nicht auch ein Superangebot auftut? Ich rede mir ein, sehr tapfer zu sein, und recke mich nach dem Telefon.
    »Hóll, guten Tag«, antwortet diesmal eine Männerstimme.
    »Ist Gunnhildur Bjargmundsdóttir zu sprechen?«
    »Augenblick.«
    Ich warte zwei Minuten.
    »Nein, Gunnhildur badet gerade. Kann ich ihr etwas ausrichten?«
    Ich verneine und bedanke mich. Die alte Dame hat bestimmt vergessen, dass sie irgendeinen Reporter namens Einar angerufen hat, und erst recht, was sie von ihm wollte.
    Ich spiele mit dem Gedanken, Kjartan Arnarson anzurufen, nachdem Trausti Löves Entschuldigung heute groß und breit auf der ersten Seite erschienen ist. Ich beschließe, es nicht zu tun. Schließlich habe ich mein Wort gehalten.
    Stattdessen bastele ich eine Meldung über die Pressekonferenz heute Mittag im Hotel KEA zusammen, auf der Pläne für die Regionalentwicklung am Eyjafjord präsentiert wurden.
    Der Minister, der Bürgermeister und der Projektleiter waren anwesend, und alle schüttelten sich die Hände und beglückwünschten sich gegenseitig, sich endlich darüber einig zu sein, dass der Arbeitsmarkt in der Region

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